In kurzen, ineinander verschachtelten Szenen und mit zahlreichen harten Zeitsprüngen erzählt der aus Syrien stammende Wiener Autor die Geschichte des österreichischen Studenten Michael, der in das kurdische Selbstverwaltungsgebiet Rojava aufbricht, um sich der dortigen Revolution anzuschließen. Geschlechtergleichheit, Leben im Einklang mit der Natur und Freiheit: eine Utopie, an deren Aufbau Michael teilhaben will. Die großen Gegner: Assad und der "Islamische Staat".

Angestachelt von seiner kurdischen Freundin Derya bricht Michael auf, nur um bei seiner Ankunft zu bemerken, dass es ein blutiger Weg ist hin zu einem Ideal, von dem die Realität noch Meilen weit entfernt ist. Schnell muss er die Erfahrung machen, dass die dortigen Freiheitskämpfer(innen) im Kugelhagel wenig Verständnis für einen Europäer mit Hang zur Weltverbesserung haben. "Denkst du etwa, das hier wäre sowas wie Erasmus?", schlägt ihm die Skepsis der Anführerin Hevin entgegen, die sich genervt zeigt, dass Michael in Ohnmacht fällt, sobald er eine Waffe abfeuern soll.

Auf der Drehbühne von Vibeke Andersen stehen die mütterliche Wohnung in Wien-Josefstadt und das syrische Camp Rücken an Rücken: hier weiche Polster und Eiernockerl, dort Ruinen und Linsensuppe. Hier die trauernde Mutter, dort der grenzenlos sozialromantische Sohn. Diesen gibt Peter Fasching konsequent als idealistisches Weichei, das mit seinem Gitarrenkoffer und einem E-Book-Reader im Kriegsgebiet auftaucht, als stünden ihm Monate im Pfadfinderlager bevor. Es dauert nicht lange, bis er sich in die selbstbewusste Hevin (IsabellaKnöll) verliebt, die von Gefühlen aber nichts wissen will. Denn das hat ihr die Kommandantin Fidan (zwischen Autorität und unterdrückten Emotionen oszillierend: ClaudiaSabitzer) streng verboten.

Dass ihm der junge Mathematiklehrer Alan (LukaVlatkovic) gleich einmal den österreichischen Pass abknöpft, um aus Syrien rauszukommen und Michael mit dem blinden Cousin Kaua (grandios: Sebastian Pass) alleine lässt, ist ein harter Brocken. Als Alan schließlich in Wien an die Tür von Michaels Mutter klopft (in einer Doppelrolle: Sabitzer), fragt sich auch diese nach anfänglicher Gastfreundschaft: "Was tust du hier? Wieso bist du nicht dort und tust das, was mein Michi für euch tut?" Dass man nicht alle glücklich machen kann, wenn man selbst nach dem eigenen Glück sucht, wird in "Rojava" in jeder Minute deutlich. In den vielen, meist von Lopicic' Kompositionen gefüllten Dialogpausen wird das Unsagbare spürbar.

Die auf der Bühne platzierten Musiker (MonaMatbouRiahi an der Klarinette, RinaKacinari am Cello, MariaPetrova und YaseminLausch alternierend an den Drums und Imre Lichtenberger Bozoki an Trompete, Tuba und E-Bass) übernehmen die Rollen der stummen Kämpfer. Lediglich die iranische Musikerin GolnarShahyar, die mit ihrem eindringlichen, breit gefächerten Gesang - von kurdischen Volksliedern bis hin zu "Ave Maria" - durch den Abend trägt, übernimmt als Michaels Freundin Derya auch eine Sprechrolle. Unterfüttert wird das unsagbare Leid in Syrien mit Einblendungen von Comic-Bildern aus dem Band "Kobane Calling" des italienischen Comic-Zeichners Zerocalcare.

Und so wird "Rojava" in der zweieinhalbstündigen Uraufführung (eine Pause) zu einem multimedialen Gesamtkunstwerk, das auf einem äußerst starken Text beruht. Es ist ein Glück, dass das Volkstheater Ibrahim Amir nach der Absage der Uraufführung von "Homohalal" für einen weiteren Anlauf gewinnen konnte. Die eingeblendeten kurdischen und englischen Übertitel machen das Stück auch für ein deutlich breiteres Publikumssegment zugänglich. Eine Gelegenheit, um über Krieg, Utopien und die Zweischneidigkeit des Altruismus nachzudenken, die man sich nicht entgehen lassen sollte.