Auftritt, Rabtaldirndln: In grauen Strickoutfits und grauen ungezähmten Perücken rollen Sonja (Rosa Degen-Faschinger), Renate (Barbara Carli) und Marianna (Gudrun Maier) auf Hoverbords wackelig auf die Bühne des Studio brut in Wien. "Böse Frauen" heißt die neue, insgesamt neunte Produktion, des fünfköpfigen Frauen-Performancekollektivs aus der Steiermark.

Unter der Regie von Ed. Hauswirth (Theater im Bahnhof) rollen sie sprichwörtlich die Pflegedebatte neu auf: bissig, rabiat und brachialfeministisch in Eigendefinition wie eh und je. Sie umzingeln dabei Themen wie Selbstbestimmung und wie diese im Alter überhaupt aussehen kann, Angewiesenheit, Sterbehilfe, das Sterben an sich und - das symbolisiert wohl das viele Grau - Unsichtbarkeit der Menschen im Pflegesystem. Die zu Pflegenden und die Pfleger und Pflegerinnen dahinter. Harter, mitunter beklemmender, dann wieder ironisierender Tobak für einen Theaterabend.

"Mandala ausmalen brauchen wir nicht"

Dass bei den international von Deutschland bis Sri Lanka begehrten Performerinnen der Humor - der derbe bis allerfeinste - nicht zu kurz kommt, trifft sich angesichts der Thematik ganz gut. Es ist ein äußerst dichter und perspektivenreicher Abend, an dem die drei auf der kargen Bühne (Ausstattung Georg Klüver-Pfandtner) Pflegebedürftige verkörpern oder - äußerst fantastisch - die Tücken und Problemzonen als Pflegeroboter erahnen lassen oder zutiefst persönliche Geschichten vom Tod, einer der größten Tabuzonen der Gesellschaft, erzählen. Kurz: Sie quälen sich, sie trösten sich, sie unterstützen sich. Einmal heißt es zum Beispiel: "Ich würde euch mästen. Ich würde euch füttern und ich würde keine Sekunde von eurer Seite weichen." Einmal sagt eine: "Einen Kartentisch brauchen wir, Mandala ausmalen brauchen wir nicht." Ein anderes Mal ist zu hören: "Oh Gott! Ich stelle mir gerade vor, ich wäre bei uns in Pflege." Nachsatz: "Das ist wie ein Spuk aus der Zukunft."

© Christine Miess

Hintergrund - und Herzensszenen - der neuen Produktion ist die reale Mordserie der sogenannten Lainzer Mordschwestern, die von 1983 bis 1989 im ehemaligen Spital Lainz 42 Seniorinnen und Senioren mittels "Mundpflege" getötet haben. Dazu projizieren die Rabtaldirndln Berichte der "Kronen Zeitung" auf die Leinwand, sie singen Teile davon vor. Sie inszenieren ein "Holiday on Lainz" mit selbst positioniertem Taschenlampen-Scheinwerferlicht und treten in einer charmant übertriebenen Séance mit den echten Todesengeln von Lainz in Kontakt. Bei ein paar Gläsern hochwertigem Tankstellenwein philosophieren sie über die zwölf neuen Todsünden. 

Mit den Fragen, Feststellungen und exemplarischen Übungen (Videos: Stefan Schmid, Georg Klüver-Pfandtner) massieren die Performerinnen die Schmerzgrenze des Zumutbaren. Das ist gut so.