Zwei Schritte nach vor, drei zurück: Die Umsetzung des ersten Zeitgeschichte-Museums des Bundes, das am Samstag seine Pforten öffnet, war ein politischer Spießrutenlauf. Das wird in der Eröffnungsausstellung „Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918“ nicht ausgespart.

Vor dem Eingang im Mezzanin der Neuen Burg wird an der Wand ein Spiel mit Drehrad angebracht. Name: „Haus der Geschichte Österreich-Marathon“. Wie bei einem vertikalen „Mensch, ärgere Dich nicht“ treten Spieler gegeneinander an, um ans Ziel zu gelangen.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie man mit der österreichischen Geschichte umgehen möchte: lustvoll, spielerisch und gegenwärtig. „Wir eröffnen ein Museum des 21. Jahrhunderts, das sich als Diskussionsforum versteht“, sagt Direktorin Monika Sommer. Inhaltlich muss sich das Historikerteam keine Vorwürfe machen lassen.

Aber die Ausstellung ist herausfordernd: Auf 750 Quadratmetern werden 1905 Objekte gezeigt, darunter befinden sich Leihgaben aus 17 Ländern und von 155 Privatpersonen. Viel zu wenig Platz für 100 Jahre österreichische Zeitgeschichte. Der erste Raum wird ausführlich dem Umbruch 1918 gewidmet.

Über Kopfhörer bekommt man auf einer Tribüne sitzend Tagebucheintragungen vorgelesen. „Wird es die richtige Entscheidung sein?“, notierte Elsa S. Über Leinwände flimmern Videos, eines zeigt die Geschehnisse am 12. November 1918 vor dem Parlament. Einer der Höhepunkte ist eine Tagebuchnotiz von Analytiker Sigmund Freud. „Weder dem Österreich noch dem Deutschland“ weine er „eine Träne nach“. Dazu gibt es Mitmach-Elemente: Bei der Straßenumbenennungsaktion kann man an Rollen drehen und sehen, wie aus dem Grazer Franzens- der Freiheitsplatz wurde.

Neonjahreszahlen leiten in den weiteren zwei Räumen schlüssig durch die Folgejahrzehnte. In einem weißen Hochregal kann man in Themenkomplexe eintreten: Im Bereich „Wunder Wirtschaft?“ ist das Brettspiel „Das kaufmännische Talent“ (DKT), damals noch unter dem Titel „Spekulation“, ausgestellt. Ein Jahr später hieß das Spiel ganz anders: „Juden raus!“

Ein Ort als Verpflichtung

In der Mitte des Raumes thront das trojanische Holzpferd, das Alfred Hrdlicka zur Aussage des SP-Politikers Fred Sinowatz zur Mitgliedschaft bei der Sturmabteilung des Präsidentschaftskandidaten entwickelte: „Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“ Wenig überrascht. Geschichtslücken wird die Schau dennoch füllen - zu sehen ist der Arbeitsentwurf des Staatsvertrags von 1950, in dem Leopold Figl handschriftlich Österreichs Mitverantwortung an den Verbrechen der NS-Zeit gestrichen hat. Positiv fällt die Vielstimmigkeit auf: Vinzi-Pfarrer Wolfgang Pucher referiert über Menschen am Rand der Gesellschaft. Der Ort, auch eine Botschaft, ist Verpflichtung. Im ersten Stock werden - vor dem Balkon, auf dem Hitler 1938 den „Anschluss“ an NS-Deutschland verkündete - in einer Wechselausstellung Alma und Arnold Rosé und ihre Geigen gewürdigt. Gute Idee, verbesserungswürdiges Ambiente.