Max Hollein wirkt entspannt in seinem Büro an der Upper East Side von Manhattan - und das, obwohl er gleich seine erste Ausstellung als zehnter Direktor des Metropolitan Museum of Art der Presse vorstellt. Dabei schmückt sich der charismatische Wiener, der bis vor kurzem Leiter des Fine Arts Museums in San Francisco war, wohin er vom Frankfurter Städel wechselte, nicht mit fremden Federn.

Das hat der Mann, dem das Frankfurter Museumswunder zu verdanken ist, nicht notwendig. Die erste große Retrospektive des französischen Malers Eugene Delacroix in den USA war schon lange vor seiner Zeit geplant, erzählt er der APA im Gespräch. Er ist erst seit sechs Wochen hier - in einem der ganz großen Universalmuseen der Welt. Unweit von dort hat Mitte der 1990er alles begonnen. Im Guggenheim Museum hatte Hollein nach seinem Studium der Kunstgeschichte und der Betriebswirtschaft in Wien als Projektmanager angefangen.

Sein Ruf ans Metropolitan Museum, kurz "Met" genannt, sagt viel aus über die Talente des 49-Jährigen, aber es sagt vielleicht genauso viel aus über das "Met", das seit Jahren trotz wachsender Besucherzahlen in der Klemme steckt. Der wirtschaftlich glücklose Direktor Thomas Campbell trat im Februar 2017 zurück. Hollein, Sohn des verstorbenen Architekten Hans Hollein, soll das Museum nun in die Zukunft führen. Ihn erwarten 2.200 Mitarbeiter, ein Jahresbudget von über 300 Millionen US-Dollar, rund 55 Ausstellungen pro Jahr und sieben Millionen Besucher. Mit der APA hat Hollein über die Kunst der Museumsführung, den Vorteil des Konsolidierens von Interessenslagen und sein Leben nach Hell's Kitchen gesprochen.

Das Metropolitan Museum in New York
Das Metropolitan Museum in New York © Luciano Mortula-LGM - stock.adobe.com (Luciano Mortula)

Herr Hollein, Sie eröffnen heute Ihre erste Ausstellung als leitender Direktor des Metropolitan Museum in New York. Wie geht es Ihnen?

Max Hollein: Dass ich jetzt gleich am Anfang eine Ausstellung mit Delacroix eröffnen kann, freut mich natürlich ungemein. Es ist eine exemplarische Ausstellung, die zeigt, was das Met kann, und was es auch ausmacht. Es ist die erste große Retrospektive von Delacroix in den USA. Eine Ausstellung in der Größe und von solcher Bedeutung, kann wirklich nur das Met machen. Ich arbeite jetzt schon seit über 20 Jahren als Museumsdirektor und es gibt Institutionen, die können gewisse Themen in einer Form machen, wie keine andere. Und Delacroix gehört absolut dazu.

 Ist der Druck da nicht enorm gewesen?

Hollein: Nein. Das Met ist nicht nur eine riesige Institution, sondern auch ein sehr gut funktionierendes Museum. Es ist ja nicht so, dass Sie als Direktor kommen und sagen, "Alles auf Start", sondern Sie sind Teil eines fast 150 Jahre alten, großartigen Organismus. Die Fortentwicklung dieser Institution mitzuprägen und gewisse Leitlinien vorzugeben, insbesondere den Kuratoren, das ist natürlich etwas, was einen antreibt. Dass das aufbaut, auf einem solchen Fundament und einer solchen Kraft, das bestärkt einen nur und gibt einem fast eine gewisse Ruhe.

Sie haben im Fine Arts Museum in San Francisco die größte Klimt-Ausstellung an der US-Westküste gezeigt. Steht etwas Ähnliches für das Met auf dem Programm?

Hollein: In New York gibt es mit Ronald Lauders Neuer Galerie ein Haus, das sich diesem Thema auf hervorragende Weise widmet. Das ist jetzt für mich keine Priorität. Dass wir uns aber im Met auch immer wieder mit österreichischer Kultur und Künstlern auseinandersetzen, das wird so sein, und es wird sich auch ein österreichischer Direktor hier zeigen. Ich glaube, Sie werden dazu auch bald etwas hören...

Das Met ist verschuldet, es wurden Mitarbeiter entlassen. Ihr Vorgänger Thomas Campbell ist zurückgetreten. Was sind jetzt die wichtigsten "Baustellen"?

Hollein: Manche haben das eine Krise genannt, aber ich finde, man muss das immer in Relation sehen. Das Met hat ein operatives Budget von über 300 Millionen US-Dollar. Das derzeitige Defizit liegt bei 8,5 Millionen. In San Francisco hatte ich eine Aufgabe, die viel größer in Bezug auf die Relation zwischen Defizit und Gesamtbudget war. In diesem Fall ist das die Agenda von Daniel Weiss, dem CEO und Präsidenten des Met. Für mich ist jetzt ganz klar die Fortentwicklung des Museums im Hinblick auf mehrere Punkte wichtig: Wir feiern unser 150-jähriges Jubiläum in zwei Jahren, und da wird die Frage, was ein enzyklopädisches Museum heute ist und in welcher Form es mit den Kulturen der Welt umgeht, eine wichtige Rolle spielen. Die Frage der Verbindung und der Fluidität zwischen den Kulturen, das ist ein wesentlicher Punkt, der sowohl unsere Sammlungspräsentationen berühren wird als auch unsere Narrationen.

Eine andere wichtige Frage ist: Was ist jetzt die zeitgenössische Stimme des Met?

Hollein: Das ist ein interessanter Punkt, der ein bisschen verloren geht in dieser Diskussion. Wenn Sie durch unsere afrikanische Sammlung gehen, dann werden Sie eine ganze Reihe von Objekten sehen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen. Das dritte ist natürlich, welche Rolle das Met allgemein für die Welt einnimmt. Für mich war immer ganz wesentlich zu sehen, dass ein Museum nicht nur ein Ort ist, den man besucht, sondern dass ein Museum auch eine Aufgabe des kulturellen Dialogs und der Vermittlung hat. Viele Leute wissen nicht, dass wir zum Beispiel viele Ausgrabungskampagnen durchführen und an vielen Orten der Welt in Programme involviert sind. Es ist unsere Mission, nicht nur ein Museum über die Welt, sondern ein Museum für die Welt zu sein.

Sie sind bekannt als jemand, der brillant zwischen Wirtschaft und Kunst vermitteln kann. Wie kann man die vermeintliche Paradoxie zwischen Freiheit der Kunst und Abhängigkeit von der Wirtschaft lösen?

Hollein: Ich bin da ein bisschen vom amerikanischen Modell geprägt. Meine gesamte Herangehensweise war immer: Wir wollen unsere kuratorischen Träume realisieren - oft auch auf sehr gewagte oder relativ unorthodoxe Weise. Wenn man als Künstler die wildesten Ideen hat, dann will man einen Partner haben, der das auch umsetzen kann. Das heißt, ich sah dieses Management nie als Diskrepanz, sondern als Serviceleistung. Ich glaube, einem Künstler ist immer auch recht, wenn da nicht jemand ist, der Luftschlösser träumt. Ich habe es immer als meine Aufgabe gesehen, die idealen Bedingungen herzustellen.

Was ist der Einfluss von Finanzierung?

Hollein: Weil das US-amerikanische Modell größtenteils privat finanziert ist, liegt die Kunst für einen Direktor darin, die Finanzierung aus so vielen verschiedenen Quellen wie möglich zu realisieren. Jeder unserer Förderer hat irgendeine Agenda, und das ist gut so, weil nur so entsteht eine emotionale Bindung. Sagen wir, ich habe einen Hedgefondsmilliardär, der eine riesige Afrikasammlung hat. Natürlich wird der dann afrikanische Kunst bei uns fördern wollen. Hat er damit Einfluss auf die Institution? Ja, weil er das Geld gibt. Das heißt, meine Aufgabe ist, auch die 500 anderen wichtigen Dinge, die wir in diesem Museum machen, zu fördern. Wir wollen ja, dass Leute Einfluss nehmen, aber genau dort, wo wir auch hinwollen. Schwierig wird dieses US-amerikanische Modell, wenn die Institution von einer Geldquelle abhängt, weil dann ist es das Abbild einer individuellen Interessenslage. Das konzertierte Konsolidieren von Hunderten Interessenslagen, das ist die programmatische Kunst. Und nicht in dem Sinne, dass Sie darauf reagieren, sondern vielmehr, dass Sie jene Leute suchen, die genau das fördern, was Sie suchen. Das ist für mich ein Weg, der zu einer vielleicht größeren institutionellen Freiheit führt als wenn Sie zu 80 Prozent von einer Stadt oder dem Staat gefördert werden. Wenn es einen Regierungswechsel gibt, dann spüren Sie das eventuell sofort in der Institution. Hier in den USA spüren Sie das nicht, wenn Ihnen ein Förderer wegfällt. Ich kann beiden Systemen sehr viel abgewinnen. Aber ich denke, es ist eine Misskonzeption, dass das US-System dazu führt, dass Geldgeber einen zu großen Einfluss haben. Oft ist der Einfluss der Geldgeber in Europa in dem Sinne größer.

 Das heißt, was in der US-amerikanischen Politik passiert, tangiert Sie als Direktor nicht?

Hollein: Das hat in dem Sinne auf unsere operative Form keinerlei Einfluss, während zum Beispiel in Frankreich wenn Marine Le Pen Präsidentin geworden wäre, das vermutlich direkten Einfluss auf die Kulturpolitik und damit Institutionen gehabt hätte. Ob Trump oder Obama Präsident ist, spielt keine Folge in Bezug auf uns. Aber was es natürlich beeinflusst, ist, dass es in diesem Land eine stärkere Politisierung gibt, auch eine härtere Auseinandersetzung, und das bedeutet auch, dass vieles was wir hier machen - und das finde ich gut so - politisch gelesen wird. Trump ist gewählt worden, drei Monate nachdem ich in San Francisco gelandet bin. Wir hatten da eine Ausstellung, die ich initiiert habe zum "Summer of Love". Es war das 50-jährige Jubiläum in San Francisco. Es war eine logische Sache für uns das zu machen. Plötzlich haben alle gesagt, das ist die Antwort auf Trump. Es war überhaupt nicht so gedacht, aber natürlich kann man das so lesen. Oder auch jetzt die Ausstellung in San Francisco zu "Contemporary Muslim Fashion". Das ist etwas, was mich sehr interessiert hat. Es war keine Reaktion auf den Muslim Ban, aber natürlich hat Kunst und Kultur diese unterschiedlichen Formen der Lesbarkeit.

Sie haben in New York City begonnen und fünf Jahre unter Thomas Krens im Guggenheim gearbeitet. Schließt sich der Kreis jetzt für Sie?

Hollein: Ich muss sagen, dass meine Frau und ich damals in New York ein ganz anderes Leben geführt haben. Wir hatten keine Kinder. Wir haben in Hell's Kitchen gewohnt. Jetzt haben wir ein Townhouse auf der Upper East Side. Mein Gehalt war ein ganz anderes. Wir waren in der damaligen Kunstszene tief drinnen. Es war eine unglaublich lustige und spannende Zeit. Wir haben hier sechs Jahre gelebt und es geliebt. Wir haben uns gefreut, wieder nach New York zu kommen. Es war jetzt aber nicht so, dass wir unser ganzes bisheriges Leben überlegt haben, wie wir wieder nach New York kommen. Das hat sich ergeben. Wir waren sehr lange glücklich in Frankfurt, und wir wollten ganz bewusst auch als Familie ein neues Abenteuer in San Francisco. Wir haben uns dort sehr wohlgefühlt und dachten, dass wir dort viel länger bleiben werden. Und dann kam dieser Ruf ans Met, und in der Museumswelt ist das etwas, wo Sie nicht allzu lange überlegen.

 Ist es Ihnen wichtig, dass die Menschen hier wissen, dass Sie Österreicher und nicht Deutscher sind?

Hollein: Ich fühle mich natürlich als Österreicher. Wien ist immer noch meine Heimatstadt. Ich korrigiere hin und wieder Leute, wenn sie sagen, "He is coming from Germany". Insgesamt in den USA habe ich erlebt, dass es eine unglaubliche Freude und Offenheit gibt, wenn jemand aus Österreich oder Wien kommt. Aber ich gehe jetzt nicht mit einer Österreich-Flagge am Revers geheftet herum. (lacht) Wie Österreich und Wien mit Kultur umgeht und definiert, hat mich ganz wesentlich geprägt.