Jürgen Kuttners Hitlershow "Am Tag, als Adolf Hitler starb" erhielt bei der Uraufführung am Samstag im Linzer Schauspielhaus viel Applaus. Der deutsche Radiomoderator und Theatermacher führte Regie und als Showmaster durch die zweieinhalb Stunden, verpackte die Kritik an der inflationären Präsenz Hitlers großteils in Parodien und ließ Suse Wächters genialem Puppenspiel viel Platz.

Wenn er das Publikum auf den Show-Abend einstimmt, den Unterschied zum Theater erklärt und Probeklatschen lässt, scheint Kuttner in seinem Element. Er schafft mehr Wörter in der Minute als ein Maschinschreib-Lehrer Anschläge und hielte das wohl auch zwei Stunden durch, ist aber klug genug sich exzellente Unterstützung auf die Bühne zu holen.

Vor allem die kongeniale Suse Wächter, eine virtuose Puppenspielerin, die Stimmen meisterhaft imitiert und den Figuren Leben einhaucht, beeindruckt. Herausragend ist ihr Baby-Hitler, der sich im Interview mit Kuttner als echtes Gör entpuppt und anschließend nackt und mit Verve "Ich will" von Rammstein interpretiert. Die Showband - in weißen Jacketts - geleitet wunderbar durch den Abend, der musikalische Leiter Gerald Landschützer brilliert auch als "Ghost-Player" mit der Sigmund-Freud-Puppe auf seinem Schoß.

Die vier Schauspieler Corinna Mühle, Theresa Palfi, Robert Finster und Klaus Müller-Beck erweisen sich als wandlungsfähige Tausendsassas, spielen und singen, zeigen Talent an der Wurstmaschine und als Souffleure. Sie sind von Momme Röhrbein stets adäquat gewandet, in Kittelschürze und Glitterfummel, Leo-Look und Glamour-Anzug. Die Bühne dreht sich, ein Glitzerfäden-Vorhang gibt abwechselnd Showtreppe, Couch und Leinwand frei.

Hitler sells

Die Revue besteht aus einzelnen Episoden, Dialogen, Sketchen, Musiknummern und Videoeinspielungen. Bei allem Spaß werden auch essenzielle Fragen geklärt, wie: Lebt Hitler? Ja, im deutschen Fernsehen und im ORF gab Kuttner die Antwort. Beweise folgten auf dem Fuß, unzählige Ankündigungen von Dokumentationen und ein Beitrag des ORF über einen Hitler-Doppelgänger in Braunau. "Genau das ist das Problem, darum machen wir die Show", wurde Kuttner ernst. Zurecht, denn zwei Themen ziehen immer - Hitler und Sex - zumindest auf den Titelseiten im Sommerloch oder in sonstiger Saure-Gurken-Zeit. "Seien Sie wachsam", gibt er dem Publikum mit auf dem Weg und: "Schauen sie misstrauischer ins Fernsehen."

Wenn unvoreingenommene Werber Hitler zur Marke, zum Influencer und das Hakenkreuz zum starken Logo erklären, mag manch einer schaudern, doch unzählige Buchtitel, Filme und Katzen im Hitlerlook belegen es - Hitler sells. Das ist die Verwurstung, die der Abend gleichzeitig anprangert und maßlos auf die Spitze treibt - unter anderem mit dem "Logo" da und dort dezent verfeinert im Bühnenbild sowie Hitler im rosa Anzug als Gewinner bei "Austria's Next Stop Model". Dass er sodann "I am from Austria" anstimmt, bezeichnete Kuttner als "den künstlerisch heikelsten Teil des Abends" - das Publikum spendete bereitwillig Applaus.

Lachen bleibt nicht im Halse stecken

Der Berliner mixt von ihm Bekanntes mit Neuem, er spielt mit der österreichisch-deutschen Nachbarschaftsliebe, führt eindrücklich vor, was er unter "Kollateralschlager" versteht und lässt fünf Zuschauer mithilfe des Ensembles Thomas Bernhards "Der deutsche Mittagstisch" aufführen. Ein musikalischer Höhepunkt ist der Titelsong "Am Tag, als Adolf Hitler starb", frei nach Juliane Werding, interpretiert von Mühle. Musik - und noch mehr die Texte dazu - spielt eine bedeutende Rolle, seien es die Schlager von Udo Jürgens, Elfriede Jelineks Puppen-Ich als Nina-Hagen-Interpretin oder ein Potpourri in der GNTM-Parodie.

Das Tempo mäandert zwischen rasant und gemächlich, großartige Leistungen aller Beteiligten machen winzige Längen wett. Der Zeigefinger wird wohldosiert erhoben, die Grenze des guten Geschmacks nur angekratzt, das Lachen bleibt nicht im Halse stecken. Ob es nun "Abwehrzauber", Voodoo oder einfach gute Unterhaltung mit neuen Inputs ist, Kuttner führt jedenfalls Evidentes deutlich vor Augen und holt mitunter weniger Massentaugliches vor den Vorhang. Eine ambivalente Antwort, warum das Thema Hitler so fasziniert, liefert der Text "Bruder Hitler" von Thomas Mann, deklamiert vom Puppen-Freud.

Einen ganz anderen Einblick erhalten jene Zuschauer, die an einigen Tischchen auf der Drehbühne Platz nehmen. Sie sehen auch, was hinter dem Vorhang passiert, um nur vier Euro.