Bis Freitag, 25. Mai,  steht Gerti Drassl noch dreimal in der kernigen „Iwanow“-Inszenierung von Mateja Koležnik auf der Bühne des Stadttheaters. Zu Klagenfurt hat die Schauspielerin seit der Arbeit mit Dietmar Pflegerl („Die Wildente“ 2002) eine besondere Beziehung. „Ich war unheimlich aufgeregt und habe diese erste Erfahrung ins Herz geschlossen,“ sagt die 40-Jährige, die in Kärnten häufiger auf ihre Rolle in „Das Wunder von Kärnten“ angesprochen wird als auf die „Vorstadtweiber“. Von diesen und ihrer Figur Maria Schneider hat sich Gerti Drassl bekanntlich verabschiedet.

Sie gelten als das bekannteste Theatergesicht Südtirols. Wie viel spielen Sie in Südtirol?
GERTI DRASSL: Es geht sich nicht jedes Jahr aus, aber es ist mir wichtig, immer wieder in Südtirol zu spielen. Der „Iwanow“ ist ja auch eine Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen (VBB). Oder ich hatte das Glück, dass die Josefstadt nach Bozen eingeladen wurde. In Südtirol gibt es eine unheimlich große Theaterszene, fast in jedem Dorf wird gespielt. Intendantin Irene Girkinger versucht breit zu streuen und das Haus zu öffnen, weil es können nicht alle nach Südtirol kommen, obwohl es voll schön ist bei uns, das muss ich schon sagen.

Zum Beispiel Eppan...
Das ist sehr schön, da kimm i her. Das ist mein Dahoam.

Könnten Sie auch in einer italienischen Produktion mitspielen?
Könnt ich schon, ich habe ja auch italienisch gelernt und es würde mich auch interessieren.

Ihre Eltern spielen ja auch Theater.
Mein Vater ja, meine Mutter nicht mehr. Mein Vater hat zwar in der Bank gearbeitet, aber seine Leidenschaft gehört dem Theater. Und mit 70 hat er neben mir an der Josefstadt sein Debüt gehabt, im „Jägerstätter“.

Anfang Juni lesen Sie in Wolfsberg Christine Lavant. Haben Sie die Dichterin vorher schon gekannt?
Ich habe Christine Lavant eigentlich über Florian Scholz kennengelernt. Er hat vor ein paar Jahren wegen eines Projekts bei mir angefragt. Ich hatte keine Zeit, bin aber hellhörig geworden. Das war das erste Mal, dass sie in mein Leben getreten ist, also doch relativ spät. Dann habe ich angefangen mich sukzessive immer mehr in sie zu verlieben. Je mehr ich sie lese, desto mehr mag ich sie.

Bei der Lavant-Preis-Verleihung im Herbst haben Sie Lavant- Gedichte gelesen...
... also diese Liebesgedichte, die sie geschrieben hat. Die sind so tief berührend, ehrlich und brutal mit sich selbst. Ich finde das unglaublich toll. In Wolfsberg lese ich aus dem letzten Buch der Werkausgabe mit den unveröffentlichten Erzählungen. Ich werde ganze Erzählungen lesen, einen Teil ihrer Biografie, mehr möchte ich nicht verraten.

Was sind die nächsten Plänen?
Im Sommer beim Theatersommer Haag in Niederösterreich spiele ich in „Was ihr wollt“ von William Shakespeare.

Aber Sie bleiben auch an der Josefstadt?
Ich war nie Ensemblemitglied, sondern immer frei unterwegs, auch wenn die Josefstadt in gewisser Hinsicht mein Mamahaus ist. Man holt mich und lässt mich auch immer gehen. Wir haben so ein familiäres Einvernehmen.

Was ist der Vorteil, wenn man frei ist?
Ich kenn es gar nicht anders. Der Vorteil ist vielleicht, dass man immer frei entscheiden kann und wirklich machen kann, was man machen will. Wenn dazwischen nix kommt, ist das eine Schwierigkeit, aber man muss halt offen sein für verschiedene Sachen, eben auch für den Film. Das ist ein Bereich meines Berufslebens, der mir viel bedeutet. Und auch Hörspiele und Lesungen.

Könnten Sie sich ein Lavant-Projekt vorstellen wie das Kolleginnen von Ihnen, etwa Andrea Eckert, für sich entdeckt haben?
Ich bin so ehrfurchtsvoll, was die Lavant angeht. Ich freue mich wie ein Kind, wenn ich gefragt werde. Aber es ist doch etwas, was langsam wachsen muss. Das hat mit ihrer Person zu tun. Christine Lavant ist für mich eine so unglaublich tolle und grundehrliche Person, ich muss mich ihr ganz langsam nähern. Es ist wie eine Beziehung.

"Iwanow" am Stadttheater Klagenfurt: Er (Markus Hering) sagt ihr, dass sie (Gerti Drassl) bald sterben wird,  sie verdaut die Nachricht mit Keksen
"Iwanow" am Stadttheater Klagenfurt: Er (Markus Hering) sagt ihr, dass sie (Gerti Drassl) bald sterben wird, sie verdaut die Nachricht mit Keksen © skt/karlheinz fessl

Wie nahe muss einem eine Bühnenfigur kommen?
Sehr nahe am besten. Man lernt sie ja immer besser kennen und verstehen.

Was ist Anna Petrowna in Tschechows „Iwanow“ für ein Mensch?
Die liebe ich sehr. Sie ist eine unglaublich lebenshungrige Frau. Sie möchte leben und geliebt werden und verliert dabei ein bisschen aus den Augen, dass auch sie eine Eigenständigkeit hat. Auch das mag ich an ihr, dass sie sich so an dem festhält, was sie für ihren Mann und für das Leben mit ihm empfindet. Sie braucht diesen Mann auch, dass er ihr sagt: Ganz klar, du wirst sterben. Ich finde, es ist ein total aktuelles Stück. Über den Sinn des Lebens so nachzudenken und so humorvoll, dass jeder sagen kann: diese Fragen stelle ich mir auch.