Einen Blick zurück - nämlich in die 70er-Jahre - und einen in die nähere Zukunft - in Richtung seines 70. Geburtstages am 14. Oktober - wagt dieser Tage Kabarett-Urgestein Lukas Resetarits. Am 14. März steht die Premiere seines neuen Programmes "70er - leben lassen" im Wiener Stadtsaal an. Mit Nikolaus Täuber (APA) sprach er im Vorfeld über Vergangenes und neue Politiker, deren Frisuren an Warnwesten erinnern.

Nikolaus Täuber: In wenigen Tagen bringen Sie Ihr 26. Soloprogrammes auf die Bühne. Kommt da so etwas wie Routine auf?

Lukas Resetarits: Es ist jetzt nicht so wie manchmal früher, dass das Programm noch nicht da wäre. Meine Arbeitsmethoden sind aber sehr nervenzerreißend. Ich muss viel mit mir selbst und meinem Team ausprobieren. Aber auch nach den ersten Aufführungen gibt es Veränderungen. Das letzte Programm wäre in den ersten sechs Monaten um ein Stunde länger geworden, hätte ich nicht wieder Sachen herausgenommen, umgruppiert usw. Es ist bis zur letzten Vorstellung "work in progress".

Täuber: Geht es dabei vor allem um das Einbauen aktueller Entwicklungen?

Resetarits: Das wird oft missverstanden, weil man annimmt, ich jage der Aktualität nach. Das tue ich nicht. Es ergeben sich immer neue Aspekte - auch für mich auf der Bühne, durch den Response vom Publikum. Dazu kommt, dass natürlich aktuell Sachen passieren, die man einfach nur abhaken muss. Das ist aber meistens mit einem Satz erledigt, weil die Thematik immer so gewählt ist, dass sie der Zeit entspricht, in der das Programm spielt. Ich erzähle ja keine Witze von irgendwann.

Täuber: Jetzt ergibt sich für Sie der "70er", und Sie gehen dieses Alter mit dem Programm ganz offensiv an. Das Thema "Altern" war bei Ihnen allerdings schon öfter ein starkes. Was gibt es dem angesichts des 70. Geburtstages im Herbst hinzuzufügen?

Resetarits: Jetzt erreicht man eine Zahl, von der man nicht erwartet hat, dass man sie je erreichen wird. In meiner Kindheit und Jugend war 70 wie tot. Aber es geht bei dem Titel um die Korrespondenz zwischen dem 70er und den 70ern. Die waren eine Aufklärungszeit, die meine Generation eben sehr intensiv erlebt hat. Für mich spielt die Jugend und die Befreiung durch die Rockmusik eine große Rolle. Wie groß dieser Sprung war, könnt ihr Jungen euch gar nicht mehr vorstellen. Zum Beispiel konnte der Ehemann der Frau damals noch verbieten, arbeiten zu gehen. Du warst als Mann der absolutistische - und nicht nur absolute - Pater familias und Herrscher über die Familie. Das war nur einer der Punkte, die sich in den 70ern geändert haben. Das war aber nur mit der Kreisky-Alleinregierung möglich. Wir hatten die Chance uns zu melden, waren mit dem "Sonnenkönig" aber auch viel über Kreuz.

Täuber: Ist die Sicht aus den 70ern auf den 70er mit der heutigen noch irgendwie vergleichbar?

Resetarits: Überhaupt nicht! Auf Partezetteln aus den 70ern ließt man beispielsweise: "In hohem Alter mit 70 verstorben". Heute sagt man: "Der ist aber jung gestorben". Das ist schon interessant (lacht).

Täuber: Auch das neue Programm ist wieder in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter Kathrin entstanden. Welchen Blick auf die 70er hat sie eingebracht?

Resetarits: Sie wurde ja 1973 geboren und hat somit auch das Dilemma zwischen antiautoritär und "Popoklatsch" miterlebt. Für einen meiner Freunde ist zum Beispiel das Bild aus den 70ern noch präsent, wie eine Frau ein Kind an der Hand zieht, das ein extremes Hohlkreuz macht, weil es mit der anderen Hand eine am Hintern kriegt. Das war damals selbstverständlich. Da wäre heute ein Aufruhr, wenn jemand ein Kind so behandelt. Andererseits gab es eine Strömung in Richtung: Ja, ihr dürft die Tapeten runterreißen und die Wände bemalen.

Kathrin möchte aber auch etwas über mein Erleben der 70er wissen: Wie war die Stimmung? Hat man Angst gehabt? Trotzdem es der Höhepunkt des Kalten Krieges war, haben wir keine Angst gehabt, weil wir nicht geglaubt haben, dass die wirklich auf den Knopf drücken. Das Gleichgewicht des Schreckens, war für mich das Gleichgewicht der relativen Angstfreiheit. Es ist aber auch in Österreich Einschneidendes passiert, wie die Arena-Besetzung oder die Verhinderung von Zwentendorf. Bei beiden Situationen haben wir nicht damit gerechnet, dass das funktionieren würde. Das war unfassbar!

Täuber: Fehlt es ihrer Meinung nach heute an der Einfach-Probieren-Einstellung?

Resetarits: Es ist für junge Leute heute viel schwieriger, eine Haltung zu entwickeln, denn eine Haltung als junger Mensch richtet sich sehr oft gegen etwas. Das finde ich okay, es ist eine Entwicklung, sich loszulösen, sich dagegen zu stellen. Heute dröhnen wir dich gewissermaßen mit Konsum und Werbung zu, und dann bist du eh zufrieden und hältst die Pappn. Zielgerichtete Opposition ist relativ schwierig heutzutage. Jobs bekommen sie eh keine, dann hören sie wieder, dass das auch mit den Pensionen so sein wird. Das damals aggressive "no future" ist heute ein "najo, no future".

Täuber: Wird das jetzt tatsächlich einfacher hingenommen?

Resetarits: Neben den erfolgreichen Bobos und Börsenmaklern, gibt es viele "Arbeiter", die sich verloren vorkommen. Die Leute, die protest- und rechtswählen, werden im Programm stark thematisiert, weil es auch ein Problem der Zeit ist. Diejenigen, die im 22. Bezirk wunderbare Wohnungen haben, wo sogar die U-Bahn hinfährt, und dann FPÖ wählen. Kein Mensch kapiert das! Sie fühlen sich vergessen, übriggeblieben und reagieren dann meiner Ansicht nach völlig falsch. Da müsste man sich mehr die Geschichte anschauen und sehen, was passiert, wenn man sich an solche Richtungen anlehnt.

Täuber: Früher wurde Österreich wegen dieser Hinwendung zum Rechtspopulismus ja oft beäugt. Jetzt haben andere Länder, wie zuletzt die USA, quasi nachgezogen. Wie sehen sie diese Entwicklungen?

Resetarits: Ja, es gibt aber auch Positives, wie etwa den Ausgang der mühsamen Bundespräsidentenwahl. Das ist endlich einmal ein Zeichen für Europa. Dass andere Hoffnung in Österreich setzen, haben wir ja schon lange nicht mehr gehabt. Der andere Punkt sind Leute wie Trump oder Boris Johnson und die Brexit-Befürworter - also diese Menschen, von denen man aus der Ferne glaubt, sie haben eine Warnweste am Kopf. Im Tierreich warnen manche so: Achtung, ich bin giftig! Die Leute sind aber jetzt leibhaftig da. Ein interessanter dialektischer Gedanke bezüglich Trump, den ich jetzt auch mit meiner Tochter besprochen habe, ist: Wir müssen über ihn froh sein, wenn wir Europabefürworter sind. Er ist eine Chance für die EU zur Rückbesinnung auf das Friedensprojekt. Als Gegengewicht zu den durchgeknallten USA.

Täuber: Wird die Arbeit als Kabarettist angesichts solcher realer Politiker eigentlich schwerer?

Resetarits: Die Frage wurde über meine Karriere hinweg immer wieder gestellt. Sie war aber nie konkreter zu stellen als heute. In der Erarbeitung des Programmes, haben wir uns entschlossen, Trump bis auf eine Erwähnung draußen zu lassen. Man muss aber darauf hinweisen, dass sich die EU-Zerstörer vorher von der EU finanzieren haben lassen. Diese Schmarotzer sind ja mit fetten Gehältern in Brüssel herumgegangen. Im Tierreich bringt ein Parasit seinen Wirt normalerweise nicht um.

Täuber: Wenn er ein gescheiter Parasit ist.

Resetarits: Es gibt aber auch blöde (lacht).

Täuber: Im Herbst ist es auch 40 Jahre her, seit sie den Sprung auf die Solokabarettbühne gewagt haben. Wann war für Sie klar, dass sie sich dem Abend für Abend aussetzen können?

Resetarits: Ich war schon bei meiner ersten Band ein Frontman, war dann aber als Flugzeugabfertiger beruflich verankert. Es war schon eine große Entscheidung, das aufzugeben - auch für meine Familie. Ehrliche erfolgreiche Künstler werden alle sagen: Ich hatte wahnsinnig großes Glück. Ich hatte das Glück, dass 1977 alte etablierte Kabaretts noch da waren, aber noch kein junges Kabarett. Ich habe das alles nach der Premiere wochenlang nicht begriffen. Ich wurde quasi herumgetragen in den Medien, man war wie durstig nach neuen Kabarettisten.

Täuber: Bei ihrem 35-jährigen Bühnenjubiläum haben Sie in etwa angekündigt, dass Sie auf der Bühne bleiben, bis sie herunterfallen. Steht diese Ansage 2017 auch noch?

Resetarits: Die steht! Ich möchte den Menschen nicht auf den Nerv gehen - nach dem Motto: Da steht der alte Trottel noch immer und sabbert uns von der Bühne an. Solange ich es für mich aber vertreten kann, ist es so. Man ist Junkie nach dieser Begegnung mit dem Publikum und auch dieser Angst. Es hat etwas suchtartiges und nützt sich auch nicht ab.