Dass sie sich beklagen, entspricht nicht ihrem Stil. Es gibt auch keinen Grund oder sind ausverkaufte Konzerte ein Makel? Auch Graz ist der Berliner Hip-Hop-Formation K.I.Z verfallen, seit Wochen ist das heutige Konzert im Orpheum ausverkauft – aus gutem Grund. K.I.Z nennen sich wahlweise Künstler in Zwangsjacken, Karotten, Ingwer und Zwiebel oder auch Kreuzritter in Zentralasien, so ganz genau weiß das keiner. Weniger offenherzig sind sie bei ihrer Musik, wohl eher kompromisslos. Seit 2005 sezieren die Rapper Tarek, Maxim, Nico und DJ Craft mitunter mit feiner Klinge, lieber aber mit dem Vorschlaghammer alles, was in dieser Gesellschaft eine Tendenz ins Abgründige hat – darunter Porno, Pop und Politik. Sie sind die Antithese zum Salonlöwen, gefallen will man nicht, auffallen schon. Der Dechiffriercode heißt Ironie und Sarkasmus – und den sollte man besser beherrschen, sonst tut’s weh. Wer es kann, sieht auch die Raffinesse im Albumtitel „Sexismus gegen Rechts“.

Damit ist zwar nicht Schluss, aber mit dem aktuellen Album „Hurra die Welt geht unter“ hat die Formation nun die Spur gewechselt. Die Richtung ist vorgegeben und heißt: raus aus der Komfortzone. Ist Popkultur das Frühwarnsystem für die Dinge, die da noch kommen könnten, dann wird es verdammt ungemütlich da draußen. K.I.Z geben schon mal den musikalischen Detektor, treiben das Pendel zwischen Apokalypse und Neubeginn, aktuell bisweilen sogar gänzlich ironiefrei. Wie beim Lied „Hurra die Welt geht unter“, das – unter gesanglicher Mitwirkung von Henning May (AnnenMayKantereit) – eine karges, aber glückliches Leben einer postapokalyptischen Gesellschaft nachzeichnet. Doch Friede, Freude, Eierkuchen ist nicht die bevorzugte Botschaft von K.I.Z, sie attackieren mit stolzgeschwellter Brust unter anderem die Wutbürger im Dunstkreis zwischen AfD und Pegida. Oder wie es K.I.Z in „Boom, Boom, Boom“ umschreiben: „Meine Vorfahren haben Wildschweine gejagt / Jetzt leb’ ich mit Barbaren, die tun was die Bildzeitung ihn’ sagt“.

Die Antilopen Gang
Die Antilopen Gang © (c) Thomas Schermer

Das links-linke politische Dagegenhalten hat im Deutschrap Saison. Zeckenrap nennen Formationen wie die Antilopen Gang („Beate Zschäpe hört U2“) , Zugezogen Maskulin („Alles brennt“) oder Neonschwarz („Bis die Scheiße aufhört“) ironisch ihr Genre, das mit Rap eine Mauer baut – etwa gegen Fremdenhass, Sexismus und Homophobie. Mit Stolz heften sie sich die „Zecke“ ans Revers, eine Neonazi-Bezeichnung für Punks und Linke.
In Tagen wie diesen will man unbequem sein – auch im eigenen, so klischeebehafteten Genre: „Rap ist Asphalt, wir sind der Sand unter dieser Szene“, so eine Textzeile des Rappers Refpolk im Track „Zeckenrap Ansage“.

Neonschwarz
Neonschwarz © NEONSCHWARZ-MUSIC.COM



Nicht zuletzt schwenken die Zeckenrapper ihre Fahnen mit ordentlichem Nachdruck gegen die Konsumgesellschaft und ihren Leistungsdruck. Aber nicht wehleidig, sondern mit Handlungsanleitung – wie etwa Neonschwarz in „Atmen“: „In einer Welt in der die Dinge regieren, musst du besser als die Dinge agieren.“ Signale, überlaut.