Hamlet, Faust, Prometheus, Hitler - wen und was hat Bruno Ganz eigentlich nicht gespielt? Zuletzt kam der grantelnde Almöhi in "Heidi" hinzu, auch den spielte er mit Bravour. "Das ist ein nationaler Mythos, ich bin Schweizer und alt genug, also muss das gemacht werden", sagte der Schauspieler augenzwinkernd, als Ende 2015 "Heidi" in die Kinos kam.  Heute wird Ganz 75 Jahre alt.

"Krankhaft schüchtern"

Am 22. März 1941 in Zürich-Seebach geboren, war ihm die Schauspieler-Karriere nicht gerade in die Wiege gelegt. "Als Junge war ich krankhaft schüchtern", sagte er schon vor Jahren Journalisten. Ein Lehrer hatte seinen Eltern - der Vater war Fabrikarbeiter, die Mutter stammte aus einer sehr armen Familie in Oberitalien - erklärt, Ganz sei "zurückgeblieben". Auch weil er lieber aus dem Fenster schaute und träumte, blieb er schon mal sitzen und verließ die Schule schließlich kurz vor dem Abitur.

Dafür entdeckte Ganz die Schauspielerei schon in jungen Jahren als "berauschend": bei seinem ersten Bühnenauftritt im Konfirmationsunterricht. Das Zürcher Schauspielhaus zog ihn magisch an. Ein befreundeter Beleuchter verschaffte ihm Zutritt. Der Wunsch, selbst auf der Bühne zu stehen, wuchs beim Zuschauen von Mal zu Mal und führte Ganz schließlich - über Abendkurse am Zürcher Bühnenstudio und gelegentlichen Schauspielunterricht - 1962 ans renommierte Theater in Göttingen.

Bruno Ganz als
Bruno Ganz als "Faust" © ORF

Später glänzte Ganz unter der Regie von Peter Stein in "Kleists Traum vom Prinzen Homburg" an der Berliner Schaubühne. Auf etlichen deutschen Bühnen war er auch Tasso, Hamlet, Odysseus, Prometheus oder Ibsens Bauernsohn Peer Gynt. Nicht zuletzt mit Rollen in Botho-Strauß-Stücken hat Ganz Theatergeschichte geschrieben. Strauß hat Ganz einmal einen "Bruder im Geiste" genannt, der als entschlossen Unzeitgemäßer Moden und Meinungen trotzt.

Ein Höhepunkt seiner Theaterkarriere sollte Goethes "Faust" in Steins ebenso spektakulärer wie monumentaler, 13-stündiger Inszenierung zur Weltausstellung 2000 in Hannover werden, eine Rolle, die er wegen eines Bühnenunfalls erst in den späteren Vorstellungen in Berlin übernehmen konnte.

Beim Theaterpublikum längst hoch geschätzt, wurde der Schweizer mit den freundlichen Augen und der zugleich oft grüblerisch wirkenden Mimik 1977 mit Wim Wenders' "Der amerikanische Freund" auch als Filmschauspieler weithin bekannt. In Werner Herzogs "Nosferatu" war er zwei Jahre später das Dracula-Opfer Jonathan Harker. Eindrucksvoll und hochgelobt war auch seine Darstellung eines von Selbstzweifeln geplagten Kriegsberichterstatters in Volker Schlöndorffs "Die Fälschung" (1981). Kritiker und Publikum begeisterte er 1987 gleichermaßen im Wenders-Film "Der Himmel über Berlin". Ganz, der abwechselnd in Berlin und Zürich lebt, spielte darin den Engel Damiel, der aus Zuneigung zu den Menschen auf seine Unsterblichkeit verzichtet.

Bruno Ganz als Adolf H. in
Bruno Ganz als Adolf H. in "Der Untergang" © AP

Dieselbe erlangte der vielfach ausgezeichnete Schweizer Star und aktuelle Träger des Iffland-Ringes 2004 ausgerechnet in der Rolle des Adolf Hitler in "Der Untergang" von Bernd Eichinger (Drehbuch) und Oliver Hirschbiegel (Regie). Den Nazi-Diktator gab er so verstörend, so unheimlich und doch so lebensecht und nachvollziehbar, dass seitdem Hitler-Darsteller unwillkürlich an Ganz' Spiel gemessen werden. Beigetragen hat sicher auch ein wenig, dass es den Maskenbildnern nicht schwer fiel, Ganz wie Hitler aussehen zu lassen. Ihn habe es "umgehauen, wie sehr ich Hitler ähnlich sah", sagte der Schauspieler am Rande der Dreharbeiten. "Wenn ich ein Deutscher wäre, könnte es gut sein, dass ich das nicht spielen würde."

Dass Ganz jene Gestalt, die der Welt als Verkörperung des Bösen gilt, glaubwürdig als den "Menschen Hitler" ohne Spur von Effekthascherei geben konnte, zeugt von seinem grandiosem handwerklichen Können. "Wenn ich eine Rolle einschätze und mir vorstelle, was dieser Mensch in dieser Situation empfindet, was er tut, wie er redet, denke ich nicht an den Effekt", sagte Ganz 2010 der "Zeit". "Ich würde mich niemals vor einen Spiegel stellen und gucken, was mein Spiel für eine Wirkung haben könnte."

Rückzug

Von der Theaterbühne hat sich Ganz mittlerweile verabschiedet. "Ich bin total zerworfen mit dem Theater. Ich habe damit nichts mehr zu tun", sagte er 2010. "Keiner von diesen Bundesliga-Erste-Sahne-Regisseuren im deutschen Theater lässt Identifikation zu. Die scheuen das wie der Teufel das Weihwasser." Einzig der mittlerweile verstorbene, langjährige Wiener-Festwochen-Intendant Luc Bondy konnte ihn kurzzeitig auf die Bühne zurückholen, besetzte ihn 2013 als tyrannischen Vater in Harold Pinters "Die Heimkehr" in Paris.