Für Ihre Punkparabel "Soldate Jeannette" erhielten Sie 2013 beim Filmfestival Rotterdam als erster Österreicher einen Tiger Award. Nun feiert "WINWIN" ebendort am Sonntag seine Uraufführung. Mit welchem Gefühl fahren Sie in die Niederlande?
DANIEL HOESL: Rotterdam ist perfekt für uns. Es ist ein progressives Festival, das furchtloses Schaffen von Künstlern belohnt. Da fühlen wir uns wohl. Wir laufen in einem tollen Programm mit Filmen von Charlie Kaufmans "Anomalisa" bis zu Todd Haynes' "Safe". Das ist uns eine Ehre.

Läuft Ihr Film im Wettbewerb?
HOESL: Nein, in diesem Programm gibt es keine Preise. Das ist mir auch sehr recht.

Warum?
HOESL: Filmfestivals sind ja kein Skirennen. Preise sind für mich keine Motivation, Filme zu machen. Speziell, wenn man, so wie wir mit unserem Verein "European Film Conspiracy", den Preis des Geldes in unserer Gesellschaft infrage stellen und einen eigenständigen Weg wählen, um zu produzieren - vorbei an den herkömmlichen Mustern der Filmbranche. Die Unabhängigkeit, die einen Independentfilm ausmacht, heißt, dass man sich vom Geld nicht geißeln lässt.

Gilt diese Haltung auch für den Preisgeldregen bei Festivals, der jüngeren Filmemachern nicht selten das Überleben sichert?
HOESL: Unser Verein ist nicht auf Profit ausgelegt. Alles, was der Film einspielt, steckt im Verein. Wir hatten ein Budget von 270.000 Euro und waren gefördert vom Bundeskanzleramt, den Ländern Niederösterreich und Steiermark, der Stadt Wien und dem ORF. Und: Alle, vom Schauspieler bis zum Koch, die mitgewirkt haben, bekamen gleich viel Geld - gedeckelt nach oben. Alle waren sehr engagiert. Sie wissen, dass wir etwas wagen. Und genau darum geht es: etwas zu wagen. Kunst ist ein kultureller Wert. Wenn Geld dabei im Vordergrund steht, wäre das ihr Untergang. Dann wäre sie abgeschafft.

Das klingt alles sehr ehrwürdig, aber ums Überleben geht's doch auch irgendwie, oder?
HOESL: Ich will ja nicht, dass wir wenig Geld kriegen. Nur wir kriegen nicht mehr. Der Gewinn, den wir haben, ist die absolute Unabhängigkeit. Ein künstlerischer Freiraum. Deswegen können wir es uns leisten, solche Filme zu machen. Filme, die ästhetisch und inhaltlich sehr extrem sind.

Was ist das Außergewöhnliche?
HOESL: Wir haben ein ungewöhnliches Format gewählt: nämlich 4:3, ein altes Fernsehformat. Unser Impuls geht von den Schauspielern aus, nicht vom Drehbuch.

Auf der Filmseite steht: Humor beginnt dort, wo der Spaß aufhört.
HOESL: Stimmt. Der Film ist eine Satire. Das, was daran lustig ist, ist in der Realität verankert. Die Realität, in der wir leben, stellt sich als Satire dar - von skurrilen Rechtssprechungen bis zum Finanzsystem. Das Geld hat keinen natürlichen Wert. Generalisiert in den Zentralbanken, legen Experten den Wert des Geldes fest. Geld hat die Religion abgelöst. Der Glaube an das Geld hat den Glauben an irgendwelche Götter ersetzt und die Macht liegt nicht mehr bei den Nationalstaaten, sondern in der Hand internationaler Konzerne.

"WINWIN" beleuchtet die Lebenswelt der Superreichen. Das Thema spielte auch schon in Ihrem Film "Soldate Jeannette" eine Rolle, in dem Geldscheine verbrannt worden sind. Wie nähern Sie sich solchen Stoffen?
HOESL: Wir machen einen Casting-Call, treffen alle Schauspieler, Mitarbeiter, Interessierte. Und wir recherchieren, treffen Hedgefonds-Manager und Milliardäre. Die erzählen uns ihre Lebensgeschichten, daraus spinnen wir eine Geschichte. Wir haben auf dieser Ebene schon viele interessante Leute kennengelernt. Manche spielen sogar mit.

Wie nah lassen einen Superreiche an sich heran?
HOESL: Solange man nicht als Journalist auftritt und sich mit ihnen zu einem privaten Gespräch trifft, finden das viele selbst lustig und kurios, dass sie zum Beispiel so gut darin sind, das System auszutricksen. Sie sehen sich selber als Gewinner und tragen auch gerne dick auf.

Verraten Sie uns eine schöne Geschichte dazu?
HOESL: Einen Milliardär habe ich in seinem 80 Quadratmeter großen Büro in der Wiener Innenstadt getroffen. Ich fragte ihn, ob er sich nicht einsam fühlt so alleine in dem Raum, und er antwortete: Nein, er habe das gern so. Denn er mag es nicht, wenn ihm die anderen die Luft wegatmen.

Gibt es schon einen Kinostart?
HOESL: Ja, den ersten April. Wir haben gerade in Paris einen Weltvertrieb für den Film gefunden.