Wie hat es Sie nach Klagenfurt verschlagen?
MICHAEL SCHÖNBORN: Ich habe in Klagenfurt sogar schon einmal bei der Graf Film gedreht, so eine Herz-Schmerz-Geschichte in der Lilly-Schönauer-Reihe. Das Engagement für „Nora“ ist über Intendant Florian Scholz zustande gekommen. Er arbeitet ja immer mit Gästeensembles und das wird eben irgendwie zusammengewürfelt.

Sind Sie glücklich über die Zusammenwürfelung?
SCHÖNBORN: Sehr. Ganz toll.

Wie sehen Sie denn Ihre Figur, Doktor Rank?
SCHÖNBORN: Dieser Doktor Rank ist ja eine höchst tragische Erscheinung, so etwas wie ein Appendix. Er rennt durch dieses Stück als Hausfreund mit unglaublichen Sehnsüchten nach der Hausfrau, die natürlich nicht erfüllbar sind. Und dann verabschiedet er sich zum Sterben. Die Figur hat ja dramaturgisch überhaupt keine Funktion, also das Stück geht auch ohne diesen Doktor Rank. Es war irrsinnig schwer, das zu proben, weil es sich einerseits um Lappalien handelt und andererseits um das große Thema, nämlich den Tod. So eine seltsame Figur habe ich noch nie gehabt.

Stecken Sie parallel zu den „Nora“-Vorstellungen auch in Dreharbeiten?
SCHÖNBORN: Nein, die „Nora“ läuft bis 10. Februar . . . Eigentlich ein Jammer, dass man so eine tolle Aufführung nur so kurz spielt.

Bei der Premiere gab es keine Pause, wie funktioniert die Aufführung denn mit einer Unterbrechung?
SCHÖNBORN: Erst haben wir ja gedacht, es fliegt uns alles auseinander. Aber es funktioniert, weil es so präzise und dicht gearbeitet ist.

Werden Sie in Klagenfurt eigentlich auf der Straße erkannt?
SCHÖNBORN: Ja, ja. Ich habe ein Hobby, ich gehe leidenschaftlich gerne auf Messen. Nicht in die Kirche. Also ich war hier auf der Landwirtschaftsmesse. Das war ein Riesenhallo, ich bin gleich irgendwie eingemeindet worden. Als ob man sich seit Jahrzehnten kennen würde.

Mit den Messen haben Sie mir jetzt ein Hölzl geschmissen. Kardinal Christoph Schönborn ist Ihr Bruder. Wenn Sie sich nicht jede seiner Predigten anhören, schaut er sich nicht jede Ihrer Aufführungen an?
SCHÖNBORN: Das geht sich ja zeitlich nicht aus. Und nach Klagenfurt zu kommen . . . das ist zu weit. Ich merk das ja selber. Man fährt mit dem Zug vier Stunden. Aus Wien kommt, außer den engsten Freunden der Beteiligten, kein Mensch, um sich hier Theater anzuschauen. Das wird gar nicht wahrgenommen.

Besuchen Sie denn die Messen Ihres Bruders?
SCHÖNBORN: Doch, wenn ich da bin, gerne. Es ist ja auch immer wunderschön, wie er das zelebriert. Aber ich bin jetzt nicht so ein ständiger Sonntagsmessegeher. Vor Premieren gehe ich häufig in die Kirche. Dann bin ich ganz gläubig.

Also ordentlich Lampenfieber?
SCHÖNBORN: Natürlich, und wie! Es ist eine heikle Angelegenheit sich vor Publikum hinzustellen . . .

Wie schmecken eigentlich diese Bonbons, die Ihnen Nora in den Mund steckt?
SCHÖNBORN: Essen auf der Bühne ist immer eine Katastrophe. Man verschluckt sich ständig, es klebt zwischen den Zähnen, man kann nicht mehr normal sprechen. Es ist furchtbar. Aber ich weiß gar nicht, was es ist. Ich glaub, was Trockenes, trockenes Obst.

Ihre Filmbiografie ist sehr umfangreich, am Theater haben Sie nicht so viel gearbeitet – weil Sie das als eine Art Dunkelhaft gesehen haben?
SCHÖNBORN: (lacht) Genau. Deswegen bin ich 1995 aus dem fixen Engagement in Hamburg rausgegangen. Ich habe bemerkt, dass man so zum Fachidioten wird. Man geht halt in der Früh um 10 Uhr rein, kommt nach der Vorstellung irgendwann in der Nacht raus und geht mit den Kollegen noch auf ein Glas Wein. So rauscht das Leben an einem vorüber und das war’s dann. Bei dem geringen Output, den die Qualität im Theater oft hat, war mir klar: Ich will wieder in die grüne Wiese, Luft schnaufen und Sonne sehen.

Und beim Film?
SCHÖNBORN: Ja, das ist halt eine Lotterie. Aber ich hatte da sehr viel Glück und konnte sehr viel drehen. Meistens halt mittlere bis kleinste Rollen. Aber das macht man halt. Im deutschen Fernsehen ist es selten die Kunst, mit der sich Geld verdienen lässt.

Stört Sie das?
SCHÖNBORN: Früher schon, aber ich habe mich damit abgefunden. Wenn man es nicht will, muss man’s lassen.

Zu alten Wunden. Als Sie in Schruns zur Schule gegangen sind, soll Sie Ihre Volksschullehrerin k.o. geschlagen haben?
SCHÖNBORN: Ja. Das ist leider verjährt, sonst würde ich die heute noch anzeigen. Das waren martialische Maßnahmen damals. Die haben uns derart hergedroschen die Lehrer, da ist man quer durch die Klasse gefallen. Es war ein Albtraum, diese Volksschule Schruns war ein Folterinstitut.

Aber Vorarlberg ist doch sehr fortschrittlich . . .
SCHÖNBORN: Heute ja. Damals war das eine braune Suppe, vor allem das Gymnasium in Bludenz. Und am Land . . ., wir sind ja als Flüchtlinge in einem kleinen Bergdorf gelandet.

Wie sehen Sie denn die Situation mit den Flüchtlingen heute?
SCHÖNBORN: Das ist eine erstaunliche Geschichte. Damals sind Millionen Menschen durch Europa gewandert und es ist irgendwie gegangen. Heute ist die Panik aller Beteiligten scheinbar so groß, dass sie was hergeben müssen, dass man jetzt mit lächerlichen Summen hantiert. Dänemark, das liberalste Land, das ich kenne, macht die Grenzen zu, nur weil die Rechten laut schreien. Das ist ziemlich schrecklich. Und die Obergrenze. Ein Schmarrn. Soll man die Menschen in Griechenland dann stapeln, oder wie?

Gibt es ein Wunschprogramm hinsichtlich einer Rolle am Theater oder beim Film, . . .
SCHÖNBORN: Am liebsten würde ich einmal etwas Lustiges spielen. Ich bin ja meistens Kinderschänder oder Mörder oder Pfarrer und cholerisch.

Sind Sie denn cholerisch?
SCHÖNBORN: Ich handwerke viel. Wenn was schiefgeht, fliegt der Hammer. (lacht)

INTERVIEW: USCHI LOIGGE

Nora oder ein Puppenheim. Noch bis 10. Februar 2016. Stadttheater Klagenfurt.