Wie kommt man als junger Filmemacher aus Österreich zu einem "Tatort" aus Deutschland?
UMUT DAG: Dem Redakteur haben meine bisherigen Filme gefallen und so wurde ich gefragt. Anfang Jänner 2015 kannte ich das Buch und Mitte Februar begannen die Dreharbeiten. Es ging also alles ziemlich schnell.

Tut es Ihnen eigentlich leid, dass Ihr erster "Tatort" der vorletzte für das Ermittlerduo in Konstanz ist?
DAG: Nein. Für mich war das eher die Chance, dass man vielleicht auf der Zielgeraden noch einmal alles rausholen kann.

Für "Tatort"-Fans hat der Sonntagabend fast schon etwas Heiliges. Gleichzeitig wird jedes Detail auf Twitter verrissen. Kann man sich darauf vorbereiten?
DAG: Man kann es versuchen und sich einreden, dass das Einzelmeinungen sind. Aber es trifft einen, weil immer sehr viel Kraft, Energie und Lebenszeit in einem Film stecken. Die Zuschauer sind nur 90 Minuten dabei. Viele urteilen schon während dieser Zeit und sind nur noch mit der halben Aufmerksamkeit dabei.

Dieser Fall weckt sofort Assoziationen an den Kriminalfall Natascha Kampusch. War das der Anlass für die Geschichte?
DAG: Der Drehbuchautor Marco Wiersch hatte die Idee zu dem Film nach den Anschlägen am 11. September 2001. Er war lange in Kontakt mit der Redaktion für eine Geschichte über junge Menschen, die pseudoreligiös indoktriniert werden. Der Redaktion schien das aber damals zu unglaublich, noch dazu wollte man niemanden auf falsche Ideen bringen. Ein paar Jahre später kam der Fall Kampusch ans Licht und er begann, wieder daran zu arbeiten.

Umut Dağ am
Umut Dağ am "Tatort"-Set am Bodensee © (c) SWR/Patrick Pfeiffer

Wie haben Sie sich auf das Drama und diese psychiatrische Traumatisierung vorbereitet?
DAG: Es war sehr hilfreich, dass der Drehbuchautor ausgebildeter Psychologe ist. Ich hatte nicht sehr viel Zeit. Ich habe mit Psychiatern und Psychologen gesprochen, um zu erfahren, wie es ist, wenn man Patienten betreut. Vieles passierte auch intuitiv. Ich habe versucht, mich in das Mädchen hineinzuversetzen, also welche Auswirkungen auf die Psyche und das Verhalten das haben könnte. So erarbeitete ich mit der Schauspielerin die Figur.

Sie kennen beides: Film und Fernsehen. Was macht denn für Sie den Reiz am TV aus?
DAG: Im Fernsehen kann man andere Geschichten erzählen als im Kino - Krimi und Thriller zum Beispiel. Davon ist das TV übersättigt, im Kino ist es fast unmöglich, solche Filme zu machen.

War Fernsehen an der Filmakademie ein Thema oder verpönt?
DAG: Es war nicht verpönt, aber hierzulande macht man zuerst Kurzfilme und wird eher auf den ersten Kinofilm vorbereitet. Denn ohne einen Film hat man keine Chance auf ein TV-Projekt.

Wie werden Sie den Sonntagabend verbringen?
DAG: Ich bin hin- und hergerissen. Vielleicht gehe ich in ein "Tatort"-Kino, vielleicht gibt es eine "Tatort"-Party bei der Komponistin Iva Zabkar.