"Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore!" Auf sie konnten sich heuer (fast) alle einigen: Wanda haben das Popjahr weit über die österreichischen Grenzen hinaus geprägt. Fünf Burschen aus Wien waren angetreten, mit betont lässiger Haltung und schrammeligem Indie-Rock die Massen zu begeistern. Aber auch sonst hat heimische Popmusik in den vergangenen Monaten für viel Furore gesorgt.

So haben Bilderbuch ihren Erfolgslauf mit dem heiß ersehnten Album "Schick Schock" gekrönt, gab es neues Material von Clara Luzia, Skero, Attwenger oder Parov Stelar und durfte Wien nicht zuletzt als Austragungsort des größten Popfestes der Welt glänzen. Dass es beim Eurovision Song Contest für die Gastgeber selbst in Form der Makemakes nicht wirklich lief, scheint dabei fast schon wieder vergessen. International bestimmten hingegen einmal mehr die großen Damen die Branche. Im Folgenden ein Rückblick in fünf Punkten:

1 Die neue Selbstverständlichkeit

Es sind nicht mehr nur feine im österreichischen Pop Nischen, die heimische Acts füllen dürfen. Natürlich, Namen wie Andreas Gabalier oder Wolfgang Ambros hatten schon bisher ausverkaufte Hallen zur Folge. Aber spätestens mit Bilderbuch und Wanda hat auch die sogenannte Indie-Szene den Mainstream erobert - noch dazu zwischen Hamburg und Wien. Denn gerade die jungen Bands um ihre Frontmänner Maurice Ernst und Marco Michael Wanda schlugen bei unseren nördlichen Nachbarn voll ein. Wenn man deshalb von einer Wiederbelebung des Austro-Pop beziehungsweise einer Renaissance des österreichischen Pop spräche, würde dies aber gleichzeitig etliche durchaus beachtliche Erfolge der vergangenen Jahre unter den Tisch kehren. Neu ist höchstens, und das glücklicherweise quer über die Szene hinweg, die Selbstverständlichkeit, mit der mittlerweile wieder Pop made in Austria präsentiert und rezipiert wird.


2 Bruchlandung

Conchita Wurst hat es 2014 in Kopenhagen vorgemacht und das musikaffine sowie popkulturellen Obskuritäten zugeneigte Europa im Sturm erobert. Im Jahr darauf hieß es für die Makemakes beim Eurovision Song Contest in der Wiener Stadthalle zur Titelverteidigung antreten, was bekanntlich mit Null Punkten zur Bruchlandung wurde. "I Am Yours" hat nach anfänglicher Skepsis zwar das heimische Publikum überzeugt und in den Charts Platz 2 erreicht, international war mit der reduzierten Klavierballade aber kein Blumentopf zu gewinnen. Immerhin darf sich Österreich im Nachhinein als viel gelobter Gastgeber rühmen, der auch mit den Ampelpärchen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Und wie schnitt noch mal Deutschland ab?


3 Festivalfieber

Konzertgenuss im Überfluss hat sich mittlerweile in Österreich breitgemacht. Vor allem in mehrtägige Festival gegossene Anhäufungen internationaler wie nationaler Bands und Solokünstler erfreuen sich reger Beliebtheit, und zwar auf Publikum- wie Veranstalterseite. So gab es 2015 etwa das erste Rock in Vienna auf der Donauinsel, versuchten Klassiker wie Frequency oder Nova Rock neben dem musikalischen Programm durch umfangreiche Rahmenangebote zu punkten und wird im kommenden Jahr die seit 40 Jahren genutzte Festivallocation in Wiesen von Arcadia Live bespielt. Der damit zusammenhängende Bruch von Konzertveranstalter Ewald Tatar mit der für den burgenländischen Festivalfixpunkt verantwortlichen Familie Bogner bringt zudem die Abwanderung bekannter Marken wie Two Days A Week oder Lovely Days, die in Wien oder Eisenstadt angesiedelt werden. In Graz wurde indes das Nuke wiederbelebt. Wie sich der überbordende Outdoorgenuss in den kommenden Jahren entwickelt, bleibt abzuwarten.


4 Die Damen müssen es richten

Eigentlich hat sie es ganz alleine geschafft: Blickt die Musikbranche auf die vergangenen zwölf Monate, überstrahlt Adele alle anderen. Die britische Sängerin, die nach mehrjähriger kreativer Pause mit "25" ihr drittes Album vorgelegt hat, ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner im Popjahr 2015. Die Platte hat sich - auch dank bewusst gewählter Abstinenz auf diversen Streamingplattformen - millionenfach verkauft und ihr die Nachfolge der zuletzt dauerpräsenten Popkönigin Taylor Swift beschert. Eine andere ist zwar schon bedeutend länger im Geschäft, kann aber nicht mehr ganz an ihre junge Konkurrenz heranreichen: Madonna hatte mit "Rebel Heart" schließlich auch das Nachsehen gegenüber dem Internet, wo die Songs ihres neuen Albums vor Veröffentlichung aufgetaucht sind. Die Sängerin sprach von "künstlerischer Vergewaltigung" und "einer Form von Terrorismus".


5 Kaufst du noch oder streamst du schon?

Spotify, Deezer, Tidal, Apple Music: Das Musikgeschäft hat sich auch 2015 wieder deutlich in Richtung Abrufbarkeit anstatt Besitz verlagert. Schon im Vorjahr haben die digitalen Umsätze jene mit physischen Verkäufen eingeholt und war das Streaming-Geschäft weltweit für Einnahmen in der Höhe von 1,6 Mrd. US-Dollar verantwortlich. Spätestens der Einstieg von Apple sowie des von verschiedenen Künstlern unterstützten Dienstes Tidal hat diesen Trend weiter befeuert. Und in den USA ist mit YouTube Music bereits ein weiterer Player mit von der Partie. Währenddessen gibt es etliche Künstler, die sich kritisch zu den ihrer Ansicht nach zu geringen Einnahmen durch Streaming äußern. Während Adele und Taylor Swift kurzerhand ihre erfolgreichen Alben den Anbietern vorenthalten haben, ging Radiohead-Sänger Thom Yorke noch einen Schritt weiter und bediente sich eines recht drastischen Vergleichs: "YouTube nimmt sich einfach das Geld, das anderen gehört. Sie gehen dabei vor wie die Nazis während des Zweiten Weltkriegs. Sie stehlen Kunst", sagte er der Tageszeitung "La Repubblica". Die Hörgewohnheiten wird dies aber wohl eher nur peripher tangieren.