Unten wohnt nämlich die arme Familie Schlucker in ärmlichsten Verhältnissen, oben feiert der reiche Spekulant Goldfuchs ein Fest nach dem anderen. Dieses Missverhältnis muss sich auch im Grund-Setting ausdrücken, findet die 47-jährige gebürtige Innsbruckerin und hat den prägnanten Oben-Unten-Gegensatz zusätzlich mit einer dritten Ebene ergänzt: Gilbert Handler, Paul Skrepek und Martin Zrost begleiten als "Garagenband" mit einer "Kombination von Wienerlied, Free Jazz und ein wenig Elektronik" die Handlung. "Es ist ein sehr musikalischer Abend, der auch über neu geschriebene Couplets funktioniert", erklärt Lietzow im APA-Gespräch. Das große Couplet des verschlagenen und geldgierigen Dieners Johann (Sebastian Pass) hat Hans Rauscher geschrieben. "Das wird tagesaktuell weitergeführt."

"Es gibt Assoziationen zum Biedermeier, aber es gibt sehr viele aktuelle Bezüge zu einem heutigen Österreich, quasi von Spekulanten und Lobbyisten durchwürgt", kündigt die zweifache Nestroy-Preisträgerin, die mit der Produktion ihr Debüt an einem großen Wiener Haus gibt, an. Auch sonst wirkt die 1835 uraufgeführte "Zweiklassengroteske" (Lietzow) in einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich überall immer stärker aufklafft, beunruhigend heutig. "Es wird auch kein Happy End geben. Es wäre ein Hohn gerade bei diesem Abend, denn wer draufgeht sind immer die Unteren, und die Oberen überleben."

Lietzow, die zunächst die Modeschule Hetzendorf besucht und danach in New York Bildhauerei studiert hat, ehe sie in Innsbruck eine Schauspielausbildung absolvierte, hat als Künstlerin selbst Erfahrung sowohl mit dem Erdgeschoß als auch mit der Belletage, die meist von der berühmten "gläsernen Decke" getrennt sind. Sie hat sich, seit sie vom Schauspiel- ins Regiefach wechselte, von unten hinaufgearbeitet. "Natürlich war das schwierig. Es hat auch länger gedauert. Aber es macht mich auch ein bisschen stolz, dass ich mich ohne Vitamin B da konsequent reingedrängt habe."

Heute inszeniert sie an großen Häusern in Dresden, Weimar oder Hannover, möchte aber die regelmäßige Arbeit mit der gemeinsam mit Maria Hofstätter, Dietmar Nigsch und Martina Spitzer gegründeten Freien Gruppe "Projekttheater" nicht missen. "Als Ausgleich ist es sehr erholsam und sehr schön, dazwischen immer wieder ganz frei zu sein. Denn im Grunde erfüllen wir uns dabei einfach Wünsche." Die bisher jüngste Produktion, "Foxfinder" von Dawn King, das im September in einer säkularisierten Kirche in Feldkirch Premiere hatte, wird im Februar/März 2016 im Wiener Nestroyhof gastieren.

Am 20. Februar wird Susanne Lietzows Inszenierung des Schwanks "Der Raub der Sabinerinnen" am Staatsschauspiel Dresden Premiere haben. "Es ist, glaube ich, meine zwölfte Produktion in Dresden. Zu sehen, wie sich die ganze Stimmung in der Stadt verändert hat, ist grauenvoll. Es macht Angst, es wird offen gewalttätig, es sind viele, die da aufmarschieren. Man hat wie ein Übernahmegefühl in der Stadt." Was kann das Theater in dieser Situation tun? "Natürlich muss man reagieren. Wir erleben ja einen europaweiten Rechtsruck der Sonderklasse. Da muss natürlich dagegenhalten werden, auch am Theater. Aber das große Problem ist, dass man immer das falsche Publikum hat."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Zu ebener Erde und erster Stock" von Johann Nestroy, Regie: Susanne Lietzow, Bühne: Aurel Lenfert, Kostüme: Marie-Luise Lichtenthal, Musikalische Leitung: Gilbert Handler; Mit Sylvia Bra (Resi, 4 Jahre alt), Haymon Maria Buttinger (Christoph, 6 Jahre alt), Thomas Frank (Damian Stutzel), Günter Franzmeier (Schlucker), Rainer Galke (Monsieur Bonbon), Lukas Holzhausen (Georg Michael Zins), Katharina Klar (Fanny), Claudia Kottal (Salerl), Steffi Krautz (Sepherl), Kaspar Locher (Fortuna), Sebastian Pass (Johann), Nadine Quittner (Emilie), Christoph Rothenbuchner (Adolf), Stefan Suske (Herr von Goldfuchs), Günther Wiederschwinger (Zuwag/Koch/Gerichtspräsident), Gilbert Handler (Musiker), Paul Skrepek (Musiker), Martin Zrost (Musiker); Volkstheater Wien, Premiere: Sa., 21.11., 19.30 Uhr. Nächste Vorstellungen: 22., 25., 26.11., 1., 4.12., Karten: 01 / 52111-400, )