Der einsame Buhruf gegen die Interpretin der Titelpartie löste prompt einen Bravo-Chor für Edita Gruberova aus. Die slowakische Koloraturdiva, die am 7. Februar mit einem Galakonzert ihr 45-Jahre-Jubiläum an der Wiener Staatsoper feiern wird, präsentiert sich derzeit im Theater an der Wien in ihrer vorerst letzten neuen Bühnenrolle, als Titelheldin von Vincenzo Bellinis „La straniera“.

Muss man auch in Kauf nehmen, dass die Stimme spitzer geworden ist, in der Mittellage an Substanz eingebüßt hat und die Intonation immer wieder zu tief gerät, so sichern ihre phänomenale Koloraturtechnik, Höhensicherheit und Ausdruckskraft der 68-jährigen Sopranistin allemal einen singulären Ausnahmerang. Für sie hat Christof Loy 2013 in Zürich seine jetzt auch in Wien gezeigte Inszenierung geschaffen, die im Vorjahr mit Marlis Petersen als Titelheldin in Essen zu sehen war. Als Alternativbesetzungen liefern Gruberova und Petersen einander jetzt in Wien ein Divenduell.

Der Kampf zweier Primadonnen sollte das Interesse für die vierte der zehn Opern Vincenzo Bellinis schüren. 1829 an der Mailänder Scala uraufgeführt und schon 1831 in Graz und Wien nachgespielt, ist „La straniera“ die radikalste Partitur Bellinis, der hier die Grenzen zwischen Rezitativ und Arie zugunsten eines Dauer-Ariosos verwischt. Dazu kommen jähe harmonische Wechsel, die Paolo Arrivabeni mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien nicht mit genügend Nachdruck unterstreicht.

Verworrene Handlung

Zum Stolperstein für „Die Fremde“, die es im 19. Jahrhundert auf rund 180 Produktionen brachte, wurde das eine historische Begebenheit aus dem Jahr 1193 aufgreifende Libretto von Felice Romani, das keine dramaturgische Schlüssigkeit anstrebt, weil der Komponist sich nur für außergewöhnliche Situationen interessierte. Regisseur Christof Loy macht daher gar keinen Versuch, Logik in die verworrene Handlung rund um die Zweitgattin des französischen Königs Philipp II. zu bringen. Im Einheitsbühnenbild von Annette Kurz, einem Theater auf dem Theater, macht er sich Bellinis Ansatz zu eigen und konzentriert sich, die Grenzen zwischen Realität und Imagination aufhebend, auf die Gefühle der verstörten Protagonisten.

Neben der zwei Mal dem Wahnsinn verfallenden Titelheldin konnte nur Franco Vassallo als Valdeburgo mit seinem markigen, agilen und höhensicheren Bariton als ebenbürtiger Partner bestehen. Dario Schmunck verdeutlichte das gequälte Innenleben des doppelten Liebhabers Arturo mit gepresstem Tenor, seine Braut Isoletta stattete Theresa Kronthaler mit unsicherem Mezzo aus. Als wertvollste Wiener Zutat erwies sich der grandiose Arnold Schoenberg Chor.

ERNST NAREDI-RAINER