Für die Erben des jüdischen Kunstsammlers Paul Rosenberg ist es ein guter Tag: Die Entscheidung des Kunstmuseums Bern, das umstrittene Erbe von Cornelius Gurlitt anzunehmen, freut die Familie, die das Gemälde "Sitzende Frau" von Henri Matisse aus der Sammlung Gurlitt zurückbekommen sollen.

Das Porträt wurde Rosenberg einst von den Nationalsozialisten geraubt, befand sich zeitweise im Besitz des führenden Nazis Hermann Göring und gelangte später in die Sammlung Gurlitt. Der Sprecher der Familie, Christopher Marinello, sagt allerdings im Interview der Deutschen Presse-Agentur: Es gibt noch viel zu tun.

Frage: Das Kunstmuseum Bern will das Gurlitt-Erbe annehmen. Wie hat die Familie Rosenberg darauf reagiert?

Marinello: Sie sind sehr dankbar, dass das Museum das Erbe antreten und in Abstimmung mit den Washingtoner Prinzipien damit verfahren möchte. Die Sammlung soll umfassend erforscht werden. Das ist sehr ermutigend und wir hoffen auf die schnelle Rückkehr der gesamten von Nazis geraubten Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Besitzer.

Frage: Die Kunstwerke unter Raubkunst-Verdacht sollen zunächst in Deutschland bleiben, bis sie endgültig erforscht sind. Was halten Sie davon?

Marinello: Das wussten wir schon seit längerem und wir begrüßen auch das. Das geht völlig in Ordnung und sollte die Restitution der Kunstwerke noch viel leichter machen.

Frage: Es gibt allerdings auch noch die Ansprüche der Cousine von Cornelius Gurlitt, die das Testament anzweifelt. Haben Sie da Sorge?

Marinello: Nein. Ich habe sowohl persönlich als auch in der Öffentlichkeit von den Gurlitt-Erben gehört, dass auch sie zur Restitution von Raubkunst bereit sind. Also macht mir diese Sache überhaupt keine Sorge.

Frage: Wie beurteilen Sie die Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Fall Gurlitt?

Marinello: Es war ein sehr langer Weg und es gibt vieles, das man aus dem Fall Gurlitt lernen sollte. Die Taskforce hat eine monumentale Aufgabe und viel Arbeit vor sich. Die Experten der Taskforce gehören zu den besten in ihrem Bereich. Aber ich denke, für das nächste Mal ist noch Luft noch oben, und glauben Sie mir: Der Fall Gurlitt ist nicht der letzte seiner Art. Es gibt noch sehr viele Sammlungen mit Nazi-Raubkunst da draußen - sowohl privat als auch öffentlich. Wenn wir etwas aus dem Fall Gurlitt gelernt haben, dann ist es, dass wir mehr Provenienzforschung brauchen. Ich weiß, dass es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz, den USA und Großbritannien Sammlungen mit Nazi-Raubkunst gibt.

Frage: Was bedeutet es für die Familie Rosenberg, die "Sitzende Frau" zurückzubekommen?

Marinello: Dieses Gemälde und alle anderen Kunstwerke, die ihnen geraubt wurden, stehen für die Geschichte dieser Familie. Die Rückgabe dieser Werke ermöglicht eine Verbindung zu dieser Vergangenheit und es ist extrem wichtig für sie, die - Generation für Generation - nach den Bildern gesucht haben, die das brutalste Regime des vergangenen Jahrtausends ihnen genommen hat.

Frage: Was wird die Familie mit der "Sitzenden Frau" machen? Wo wird sie sich in Zukunft befinden?

Marinello: Das weiß ich nicht und das frage ich auch nicht. Es gehört ihnen und sie entscheiden. Der einzige Grund, aus dem das Bild sich in der Gurlitt-Sammlung befand, ist Hermann Göring und der Plan, das jüdische Volk und die jüdische Kultur auszulöschen.