Wenn die Gaga kommt, ist der Name Programm: Am Sonntagabend war einer der aktuell größten Popstars wieder in Wien zu Gast und heizte seinen Fans ordentlich ein. Lady Gaga zog in der Stadthalle ihren "Artrave" auf und bot über zwei Stunden lang brachial laute Beats inmitten neongrellen Interieurs. Dass sie dabei stimmlich nicht so glänzte wie ihre Outfits, störte das Publikum nicht im Geringsten.

Schließlich steht bei der 28-jährigen Stefani Germanotta, wie die Gaga mit bürgerlichem Namen heißt, die Gigantomanie im Vordergrund, und weniger die feine Klinge. Wobei sich die Fans in der nicht gänzlich ausverkauften Stadthalle etwas gedulden mussten, bis ihre Kreischorgie endlich dem Objekt der Begierde entgegengeschmettert werden konnte. Eine gute Stunde wurde man nach einpeitschenden Klängen einer DJane weiter mit wenig erbaulichen Beats aus der Konserve gequält, bevor der weiße Vorhang fallen sollte.

Dahinter befand sich schließlich nicht nur die fünfköpfige Band und eine Armada an Tänzern, sondern auch eine Kulisse, die wie eine Mischung aus Kinderfernsehen und 70er-Jahre Science-Fiction-Landschaft anmutete. Doch blieb keine Zeit, den Atem anzuhalten und das eigenwillige Konstrukt zu bewundern: Lady Gaga betrat in Glitzeroutfit und mit Flügeln versehen das Geschehen und gab die Marschrichtung vor. Die erste halbe Stunde sollte ganz im Zeichen des titelgebenden "Artpop Ball" stehen und überforderte bisweilen etwas mit Bässen, Beats und Bombast. Dazu passend ging die Stimme der quirligen Sängerin meist eher Richtung Anschlag, um bei den gefühlten Dutzend "Vienna"-Schreien standesgemäß darüber hinaus zu schießen.

Teils hatte man das Gefühl, die Songs selbst würden in den Hintergrund rücken. Was bei Stücken der aktuellen Platte "Artpop" sogar zutraf, wurde mit einem Hit-Medley aber rasch wettgemacht: Direkt ineinander übergehend, knallte Gaga "Just Dance", "Poker Face" und "Telephone" ins Auditorium, während sie über ins Publikum reichende Laufstege stolzierte, sprang, kroch. Nicht zu überhören war auch das Motto des Abends: "Wir feiern unsere künstlerische und kreative Freiheit!" In diesem Fall entlud sich die Kreativität etwa in überdimensionalen aufblasbaren Blumen, die plötzlich aus der Bühne wuchsen, oder aber einem einer Hand nachempfunden Sessel, der sie mehrere Meter in die Höhe heben sollte.

Wer sich schnell genug die in die Luft geschossenen Konfetti aus den Augen reiben konnte, wurde zudem Zeuge von sieben verschiedenen Outfits, die vom knappen weißen Kleid über einen punkigen Stil mit grüner Perücke bis zum Rave-Girl mit langen Dreadlocks reichten. Wirklich extravagant wurde es da nur bei einem Tentakelkostüm, das die Gaga zum menschlichen Tintenfisch werden ließ. Dass sie für Halloween damit zu spät dran war, dürfte sie aber ebenso wenig gestört haben, wie die zig Fangeschenke, die immer wieder über sie hereinprasselten: Von Plüschtieren über Blumen bis zu Liebesbriefchen war alles dabei - und Letzteres brachte zwei jungen Burschen gar ein intimes Treffen mit Lady Gaga am Klavier ein.

Denn immerhin braucht auch ein Popstar mal Zeit zum Durchatmen, was im Mittelteil bei einigen ruhigeren Sequenzen zumindest ansatzweise gelang. Musikalischer Höhepunkt war allerdings ein Cover von 4 Non Blondes' "What's Up", das die emotional dichteste Performance an diesem Abend sen sollte - trotz auch hier sehr aggressiv-rohem Gesang. Komplettiert wurde das Spektakel von rockigen Passagen ("Yoü and I") und A-Cappella-Einsätzen ("The Edge of Glory"), auch wenn man auf diese gerne verzichtet hätte.

Eine zumindest optisch gelungene Cher-Inkarnation für "Bang Bang (My Baby Shot Me Down)" geleitete dann in den Schlussteil, der nochmals den Rave-Schwerpunkt betonte und eine kleine Bierdusche für einige Konzertbesucher bereithielt. Aber von einer Gaga lässt man sich so etwas offensichtlich gerne gefallen. Der vierte Wien-Auftritt der exzentrischen Sängerin stellte immerhin ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis, während der gerne strapazierte, skandalöse Touch sechs Jahre nach ihrem Debüt "The Fame" merklich nachgelassen hat. Die Monster, wie sie ihre Anhänger nennt, dürften aber zufriedengestellt worden sein. Bis zum nächsten Ausflug ins Pop-Wunderland der Gaga.