Herzenswärme und Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und Treue: Die Schauspielerin Ruth Leuwerik verkörperte mit der Darstellung fürsorglicher und starker Frauen die Vorbildfrau der 1950er Jahre. Für das Kinopublikum der Nachkriegsjahre wurde sie der Inbegriff der "idealen Frau". So lautete der Titel eines Filmes von 1959, in dem sie - damals ziemlich ungewöhnlich - als Bürgermeisterin auftritt, und so auch das Motto einer Ausstellung zu ihrem 80. Geburtstag. Leuwerik, die in München lebt, wird am 23. April 85 Jahre alt.

Viele Rollen. Sie stand als Fotomodell, Unternehmerin, Opernsängerin, Fotoreporterin, Ärztin oder Lehrerin vor der Kamera. In ihren zahlreichen Rollen als beruflich erfolgreiche Frau war sie weniger leidenschaftliche Geliebte als treue Kameradin, die ihre Filmmänner unterstützte, ohne sie herauszufordern. "Die Frauen bilden das Gros des Filmpublikums. Und diese Frauen können sich mit den Problemen, die ich auf der Leinwand habe, identifizieren", sagte die Darstellerin 1962 auf der Höhe ihres Erfolgs. Eine Femme fatale dagegen war sie nicht und wollte sie auch nicht sein, wie sie selbst einmal bekannte.

Anfänge. Ihre schauspielerische Karriere begann Leuwerik auf der Bühne. Neben ihrer Arbeit als Stenotypistin nahm sie zunächst privaten Schauspielunterricht. Über Bremen und Lübeck kam die Tochter eines Essener Kaufmanns 1949 an das Deutsche Schauspielhaus nach Hamburg, wo sie bis 1953 spielte. Besonderen Erfolg hatte sie in Anouilhs "Eurydike", die sie unter anderem 1955 am Düsseldorfer Schauspielhaus verkörperte. Als Gretchen in Goethes "Faust" erntete sie Beifallsstürme.

Durchbruch. 1950 stand sie bei "13 unter einem Hut" erstmals vor der Kamera, den Durchbruch schaffte sie 1953, als sie gleich an vier Produktionen mitwirkte, darunter "Ein Herz spielt falsch". Neben Maria Schell und O.W. Fischer bildete sie zusammen mit Dieter Borsche das Filmtraumpaar jener Tage. Kaum eine Schauspielerin war damals so oft auf den Titelseiten der Filmzeitschriften zu sehen wie sie. In den 13 entscheidenden Jahren ihre Filmkarriere wirkte sie an 29 Filmen mit. Ihr Spektrum reichte von der Komödie über das Melodram bis zur Literaturverfilmung. Neben Marianne Hoppe, Hanna Schygulla und Angelica Domröse gehört auch Ruth Leuwerik zu den Darstellerinnen von Fontanes Ehebrecherin "Effi Briest" im Kino. Der Film "Rosen im Herbst" stammt von 1955.

Größte Erfolge. Mit Streifen wie "Königliche Hoheit", besonders aber mit der "Trapp-Familie" als ihrem größten auch internationalen Erfolg erlangte sie hohe Popularität, die in fünf "Bambis" ihren Ausdruck fand. Für ihre Leistung in "Geliebtes Leben" erhielt sie 1954 den Bundesfilmpreis, und für ihre Rolle als Lagerärztin in "Taiga" wurde sie 1958 bei den Filmfestspielen in San Francisco als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Auch Thomas Mann war von ihrer Schauspielkunst angetan und lobte sie als "eine Frau von beträchtlicher Ansehnlichkeit". Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), der Leuwerik vor fünf Jahren mit der Medaille "München leuchtet" auszeichnete, fasste ihre Leistung so zusammen: "Sie hat eine "Brücke zum Herzen" aller geschlagen."

Rückzug. Leuwerik selbst interessierte sich allerdings auch für die gebrochenen Charaktere, die dunklen Seiten der Filmfiguren. Doch ein Image-Wechsel auf der Leinwand gelang ihr nicht mehr. In den 1960er Jahren zog sich Ruth Leuwerik mehr und mehr zurück. Man sah sie zwar noch in einigen Produktionen unter anderem im Fernsehen, darunter in "Derrick" und 1979 als Konsulin in der TV-Serie "Die Buddenbrooks" nach Thomas Mann. Der "neue deutsche Film" konnte jedoch mit dem glamourösen Star der 1950er Jahre offenbar nicht mehr soviel anfangen - und vielleicht auch umgekehrt. In dritter Ehe mit einem Arzt verheiratet - frühere Männer waren der Schauspieler Herbert Fleischmann und der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau - lebt die Liebhaberin von Büchern und Antiquitäten heute zurückgezogen in München.