Frau Streeruwitz, Sie erhalten heute den mit 22.000 Euro dotierten Peter-Rosegger-Preis. Ist die Freude bedingungslos, zumal ja der Namenspatron immer wieder als politisch nicht gänzlich unbelastet galt und auch noch gilt?
MARLENE STREERUWITZ: Der Name ist ja schon sehr historisch, für mich jedenfalls. Und die Preisbegründung der Jury ist so schön und zutreffend, dass ich mich schon deshalb sehr freue. Ich fühle mich als Literatin erkannt, anerkannt und angesprochen. Worte zu Rosegger wird es ja dann in der Laudatio geben, die ich ebenfalls für großartig halte.

Die Werke Roseggers kennen Sie bestimmt?
STREERUWITZ: Natürlich, sie waren ja schon in der Schule ein Pflicht-Lesestoff. Und ich habe auch jetzt wieder einige Sachen gelesen - mit großer Distanz. Es gibt darin historische Sünden, die ganz klar benannt werden müssten, aber das ist nicht meine Aufgabe.

Wessen Aufgabe wäre es dann?
STREERUWITZ: Es wäre ein wichtiger Auftrag für eine Forschungskommission. Damit würde auch kulturpolitische Öffentlichkeitsarbeit geleistet, aber die gibt es in diesem Land ja fast nicht. So bleibt es bei Bausch- und Bogen-Verurteilungen, die auch immer wieder zum besten Erhalten des rechten Denkens beitragen.

Wie groß ist für Sie die Gefahr einer politischen Vereinnahmung durch solche Literaturpreise?
STREERUWITZ: Man muss das sehr differenziert sehen. Ich habe ja einen Preis abgelehnt, weil ich mich nicht durch die damalige Außenministerin FerreroWaldner ehren lassen wollte. Jetzt traf eine unabhängige Jury ihre Entscheidung, hier ist es ja auch nicht Herr Rosegger, der mir den Preis überreicht. Aber man könnte den Preis ja auch umbenennen.

Wie denn?
STREERUWITZ: In Sacher-Masoch-Preis zum Beispiel. Der hatte ja auch ein großes Nahverhältnis zu Graz, aber das wird ja aus gänzlich anderen Gründen verdrängt.

Am Vorabend der Preisverleihung gibt es in Wien und Graz eine Lichterkette gegen Rechts. Die ersten Lichterketten gab es, intensiv von Ihnen mitbetrieben, im Jahr 2000. Hat sich die Lage im Land verbessert, verschlechtert oder herrscht einfach Stillstand und weitgehende Gleichgültigkeit?
STREERUWITZ: Die Situation hat sich erheblich verschlechtert. Die Politik hat uns ja zu unmündigen Kindern gemacht; sie nimmt uns nicht einmal zur Kenntnis. Wir Künstler sind wie Kinder, die in ihrem Zimmer toben dürfen, draußen sitzen die Politiker wie Eltern, die uns nicht einmal ignorieren. Aber wir wissen es ja und wir sehen es auch immer wieder: Die Kunst des Regierens und Respektierens ist in Österreich unbekannt.

Sie sehen wenig Hoffnung auf Änderung?
STREERUWITZ: Nein. Wie denn auch?

Naja, immerhin haben wir uns dank des Kanzlers in ein Land des Lächelns verwandelt.
STREERUWITZ: Land der Lächerlichkeit wäre wohl angebrachter. Aber offenkundig haben sich die Menschen damit abgefunden. Wir haben jetzt die ewig lächelnden Yuppies an der Macht, die ihren Egoismus mit jeglichem politischen Programm verwechseln. Und wir sind drauf und dran, dass ein Politiker wie Jörg Haider fast zur Marienerscheinung wird, das meine ich nicht ironisch, sondern realistisch.

Das Fremde sei schon fast erträglicher als das Bekannte, so lautet die Essenz in Ihrem Roman "Entfernung." Wie wichtig ist Ihnen das Fremde, die Entfernung vom Ist-Zustand.
STREERUWITZ: Es ist für mich lebenswichtig, in die so genannte Fremde zu gehen. Natürlich auch, um das Bekannte, also die Heimat, besser zu verstehen, in all ihrer politischen Verlogenheit. Aber ständig hier zu sein, dass wäre ja eine Zwangshaft in völlig verlogenen Versprechungen und Vortäuschungen. Die immer wieder aufgesuchte Heimatlosigkeit ist für mich unbedingt notwendig, das Leben in Zwischenzonen. Das macht vieles Erträglicher. Außerdem kann ich bei dieser Gelegenheit ja auch noch ein kleines Geheimnis verraten.

Welches?
STREERUWITZ: Drei Viertel meiner Familie kommen aus der Steiermark. Womit sich also ein Kreis zur Preisverleihung schließt.