Am Weihnachtsabend des vergangenen Jahres starb der Ausstatter Andreas Reinhardt, dessen karge Entwürfe seine Meisterschülerin Kristina Siegel umsetzte. Regisseur Nicolas Joël erlitt vor Probenbeginn einen Schlaganfall und musste sich von seinem Assistenten Stéphane Roche vertreten lassen. Kein Wunder also, dass die Neuinszenierung von Charles Gounods "Faust" an der Wiener Staatsoper über weite Strecken zum Konzert im Kostüm geriet. Das dürftige szenische Arrangement gibt aber immerhin den beiden kapriziösen Stars dieser Produktion Gelegenheit, ihre eigenen Vorstellungen zu realisieren, erweist sich -worauf der Hausherr ja größten Wert legt - als praktikabel, verärgert keinen Zuschauer und lenkt alle Aufmerksamkeit auf die musikalische Realisierung.

Sachwalter der Musik. Diese kann sich wirklich hören lassen. Bertrand de Billy agiert am Pult des Staatsopernorchesters als kompetenter, sorgfältig modellierender Sachwalter der Musik von Charles Gounod. Er dosiert Sacharin und Parfüm sehr zurückhaltend, findet die richtige Balance zwischen Überschwang und Distanziertheit, musiziert stets mit Spannung und großem Nuancenreichtum.

Vergebliches Plädoyer. Hält Bertrand de Billy auch im Programmheft ein Plädoyer für eine, abgesehen vom 17-minütigen Ballett, möglichst ungekürzte Wiedergabe, so streicht er doch die Szene Siebel - Marthe - Mephisto im dritten Akt und akzeptiert auch, dass Angela Gheorghiu die Szene der Margarethe am Spinnrad nicht singen will. Sie wird erst zu hören sein, wenn Soile Isokoski im Juni 2009 den Part der Margarethe übernimmt. Fehlt Gheorghiu auch in der Juwelenarie funkelnde Brillanz, so beeindruckt sie doch mit den lyrischen Qualitäten ihres dunkel glühenden, die Ensembles mühelos überstrahlenden Soprans. Ihr damenhaftes Porträt der Marguérite kommt ohne Larmoyanz und Sentimentalität aus.

Jugendliches Temperament. Gheorghius Ehemann Roberto Alagna stattet den Faust mit jugendlichem Temperament aus (nach seiner Verjüngung schlägt er ein Rad und später springt er sportlich über eine Bank), singt ihn mit tenoralem Glanz, effektvollem hohen C, mit Emphase und dramatischer Attacke, bleibt der Rolle aber auch Charme und Eleganz, Innigkeit und vokales Raffinement nicht schuldig. Als Mephisto wartet Kwangchul Youn mit rundem, sattem, kraftvollem Basswohllaut auf, ohne vordergründige Dämonie zu entwickeln. Adrian Eröd singt das Gebet des Valentin sehr geschmackvoll und kultiviert, aber doch mit unüberhörbar strapaziertem Bariton, der erst in der packend gestalteten Sterbeszene zu seiner gewohnten Schönheit aufblüht. Michaela Selinger als Siebel und Janina Baechle als Marthe halten das hohe Niveau.