Seit Ihrem Weggang von Graz haben Sie als Gastdirigent weltweit Karriere gemacht. Was hat Sie bewogen, wieder eine feste Stelle anzunehmen?
PHILIPPE JORDAN: Nach Graz gab es an die zwanzig Angebote für eine Chefstelle. Aber in meinem Alter wollte ich mich nicht für halbe Sachen binden. Für mich sind drei Punkte entscheidend: Der Kontakt zum Orchester muss stimmen, ich muss eine sehr gute Beziehung zum Intendanten haben, so wie in Graz zu Karen Stone, und es muss eine Stadt sein, in der ich gerne leben möchte. Das alles trifft in Paris, wo Nicolas Joël im Herbst 2009 Gérard Mortier als Intendant ablöst, zu.

Wie lange läuft Ihr Vertrag?
JORDAN: Sechs Jahre, mit einer Option auf weitere drei Jahre.

Welche Verpflichtungen enthält Ihr Kontrakt?
JORDAN: Ich werde für das Orchester und den Chor, für die Assistenten und Korrepetitoren verantwortlich sein und pro Saison 35 bis 40 Vorstellungen dirigieren, meist je zwei Neuinszenierungen und Wiederaufnahmen, aber auch Konzerte.

Welche Opern werden Sie dirigieren?
JORDAN: Bis zu unserer dritten Saison sind die Planungen abgeschlossen, aber ich darf noch keine Titel nennen.

Werden Sie Ihre Gastspiele drastisch einschränken müssen?
JORDAN: Paris hat ab jetzt erste Priorität. Außerdem bin ich noch bis zur Saison 2010/11 Erster Gastdirigent an der Berliner Oper unter den Linden, an der ich jeweils 20 bis 25 Abende leite.

Streben Sie diese Konzentration Ihrer Tätigkeit an?
JORDAN: Die letzten drei Jahre als Gastdirigent waren für mich sehr spannend, ich habe dabei sehr viel gelernt. Auf Dauer aber ist das ständige Gastieren für mich keine Lösung, weil man als Dirigent nichts aufbauen kann.

Müssen Sie auch in Österreich Ihre Auftritte einschränken?
JORDAN: Zum Jahreswechsel dirigiere ich die neunte Symphonie von Beethoven mit den Wiener Symphonikern, mit denen auch für die nächsten Spielzeiten weitere Projekte vereinbart sind. An der Wiener Staatsoper kommt im Juni 2008 die Neuproduktion des "Capriccio" von Richard Strauss.

Sie dirigieren gerade eine Aufführungsserie von Mozarts "Hochzeit des Figaro" an der Metropolitan Opera in New York, für die Sie glänzende Kritiken erhalten haben, und kennen mittlerweile fast alle großen US-Orchester. Wie unterscheiden sie sich von Europa?
JORDAN: In Amerika gibt es weniger Proben, sind die Musiker weniger vorbelastet und professioneller vorbereitet, so dass bei Proben schnell Ergebnisse erzielt werden können. Was fehlt, ist die Klangpersönlichkeit der großen europäischen Orchester.

Bis auf die Mailänder Scala, an der Ihr Debüt 2008 bevorsteht, haben Sie bereits an allen großen Opernhäusern der Welt dirigiert. Mit welchen Erfahrungen?
JORDAN: An Londons Royal Opera House ist die Atmosphäre sehr herzlich, an der Met in New York prägen James Levine und Valery Gergiev den Standard. In Wien gibt es sehr gute und weniger gute Abende, aber das Orchester ist ein fantastisches Klangorgan: Wenn es gut ist, spielt es besser als alle anderen. Paris ist ein Riesenbetrieb mit 1500 Angestellten, zwei Häusern und zwei Orchestern mit 174 Musikern, die ich bei "Ariadne auf Naxos" und "Rosenkavalier" als das wohl beste französische Orchester kennen gelernt habe.