Herr Gerhaher, liegt Ihnen die von Schumann wörtlich aus Goethes Drama übernommene Figur des Faust nahe?
CHRISTIAN GERHAHER: Faust ist für mich eine der faszinierendsten Figuren der Weltliteratur. Immer sich strebend zu bemühen, macht zwar Sinn und bringt Ergebnisse, aber es ist auch ein Fluch, weil man nie zur Ruhe kommt.

Ist der Schumannsche Faust leicht zu singen?
GERHAHER: Das ist eine extrem schwierige Rolle. Sie enthält sehr viele dramatische Passagen, die Stimme soll zum Teil groß und voluminös klingen. Aber auch damit ist es nicht getan. Die Vielfarbigkeit ist etwas eminent Wichtiges, weil sie die Vielschichtigkeit Fausts widerspiegeln soll.

Ist es für Sie als lyrischer Bariton stimmlich eine Grenzpartie?
GERHAHER: Ja, obwohl ich nicht glaube, dass sie ein Heldenbariton singen sollte, denn man singt ja nicht nur den Faust, sondern auch den Pater Seraphicus und den Doctor Marianus und das ist etwas absolut Lyrisches, das wahnsinnig hoch liegt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt?
GERHAHER: Er hat meine Aufnahme des "Schwanengesangs" gehört und mich daraufhin eingeladen, mit ihm "Die Schöpfung" zu singen. Das war vor ungefähr vier Jahren. Seither hat er mich immer wieder eingeladen u. a. im Vorjahr nach Graz zu Haydns "Orlando Paladino", den es auch schon auf CD gibt. Ich bin natürlich überglücklich, so viel mit ihm zusammenarbeiten zu können.

Was zeichnet ihn aus?
GERHAHER: Ewige Neugier, größtes Vorstellungsvermögen, viel Phantasie, Souveränität und größte Leidenschaft.

Sie haben Medizin und Musik studiert. Was gab den Ausschlag?
GERHAHER: Die größere Begeisterung für die Musik.

Wann fiel die Entscheidung?<
GERHAHER: 1998, kurz nach meinem dritten Staatsexamen in Medizin, habe ich mein erstes Opernengagement bekommen.

Sie sind vor allem als Liedsänger berühmt geworden. Ist das Lied nach wie vor Ihre Domäne?
GERHAHER: Lied mache ich am häufigsten. Aber ich mache freiberuflich auch ein, zwei Opern im Jahr. Mehr soll es nicht sein, wegen meiner beiden Kinder, weniger aber auch nicht, wegen des Interesses. Und ich singe sehr viele Konzerte mit Orchester.

Bei den Salzburger Festspielen singen Sie heuer im Mozart-Jahr unter Riccardo Muti den Papageno in der Neuinszenierung von Mozarts "Zauberflöte". Ist das eine besondere Herausforderung?
GERHAHER: Da wird natürlich viel erwartet, und ich hoffe, dass ich dem entsprechen kann.

Wie sehen Sie den Papageno?
GERHAHER: Er soll ein natürlicher Mensch sein. Er ist ja neben Pamina der einzige, der an Selbstmord denkt. Und er hat gewisse Zweifel an seiner Umwelt: Ich finde es besonders sympathisch, dass sich Papageno dieser etwas spießigen Welt nicht hingibt. Was noch dazugehört, ist schönes Singen. Vor allem das Duett mit Pamina ist höchste Kunstmusik.