Umberto Giordanos Revolutionsreißer über den unter der Guillotine hingerichteten Dichter André Chénier gehört zu den effektvollsten Opern des Verismo. Vorausgesetzt, man kann für die drei Hauptrollen große Stimmen aufbieten. Die Grazer Oper, die das 1896 in Mailand uraufgeführte Drama zuletzt 1969 herausgebracht hatte, kann jetzt damit aufwarten.

Der australische Tenor Julian Gavin stattet den Titelhelden mit vokalem Schmelz, feuriger Rhetorik und heroischem Gestus aus. Mit weichem Timbre charakterisiert er den sensiblen Poeten, mit strahlenden Spitzentönen den engagierten Revolutionär. Trotz immer wieder geschürter Dramatik mangelt es seinem Vortrag nicht an Nuancen.

Mit überrumpelnder vokaler Kraft und zum Dauerfortissimo führender Leidenschaftlichkeit sichert sich Boris Statsenko, der als Carlo Gérard außerdem mit fulminanter baritonaler Höhe auftrumpft, den Löwenanteil des stürmischen Schlussbeifalls.

Gefühlstiefe. Weder beim bedingungslosen Engagement noch bei der Schönheit des Timbres kann Galina Shesterneva ganz mit ihren beiden Partnern konkurrieren. Als Maddalena beeindruckt sie vor allem in ihrer Arie "La mamma morta" durch Gefühlstiefe. Glänzend schlägt sich das Ensemble, aus dem Manuel von Senden (Incroyable), Wilfried Zelinka (Mathieu), Konstantin Sfiris (Fouquier Tinville) und Gordana Hleb (Bersi) herausragen, in den kleineren Rollen.

Am Pult des Grazer Philharmonischen Orchesters, das sich ebenso wie der Chor höchst motiviert zeigt, lässt sich der Dirigent Wolfgang Bozić keinen der veristischen Affekte entgegen. Er kostet die grellen Kontrastwerte der Partitur effektvoll aus, zwingt mit seinem dramatischen Furor die Sänger zu vokalen Kraftakten.

Die Inszenierung kommt zwar aus Saarbrücken, wo sie 2003 Premiere hatte, stammt aber von Grazer Kräften. Der nunmehrige Grazer Intendant Jörg Koßdorff entwarf einen weißen Rundbau als praktikables Einheitsbühnenbild für die von Hanna Wartenegg mit historisierenden Kostümen ausgestattete Regiearbeit Christian Pöppelreiters.

Personenführung. Seine Inszenierung unterstreicht den tödlichen Triumph der Klassen sprengende Liebe und geht mit den Begleitumständen der Französischen Revolution noch härter ins Gericht als der Librettist Luigi Illica. Pöppelreiter, dessen ausgefeilte Personenführung auch den Nebenfiguren prägnantes Profil gibt, lässt im Finale auch den durch die Revolution mächtig gewordenen Ex-Lakei Gérard verhaften. Schließlich wurde ja 1794 drei Tage nach André Chénier auch Revolutionsführer Robespierre hingerichtet.