Jessica Hausner, in Ihrem neuen Film "Lourdes" widmen Sie sich einem nicht nahe liegenden Thema. Was war die Initialzündung? JESSICA HAUSNER: Ich wollte einen Film über Wunder machen. Denkt man an Wunder, dann landet man schnell in Lourdes.

Das Nächste war wohl ein Lokalaugenschein im französischen Wallfahrtsort?

HAUSNER: Ja. Und ich war erschrocken und überrascht. Mein Haupteindruck: tausende sterbenskranke Menschen. Das führ

te dazu, dass ich den Film auf einmal nicht machen wollte. Dann erkannte ich die Idee dahinter. Wunder haben mit Sterblichkeit zu tun. Besser noch: mit dem Wunsch nach Unsterblichkeit.

Ihr Film hat auch mit Wirklichkeit zu tun?

HAUSNER: Ja, er ist natürlich auch ein Film über existierende Realitäten, über gesellschaftliche Zusammenhänge. Ich habe viel gelernt bei dieser Arbeit.

Haben Sie schon eine Art Wunder erlebt?

HAUSNER: Nein.

Sind Sie gläubig?

HAUSNER: Nicht im Sinn der katholischen Kirche. Woran ich glaube, sind Spontanheilungen, unerwartete Ereignisse. Die gibt es aber auch in anderen Kulturen. An ein höheres Wesen glaube ich nicht.

Also Agnostikerin?

HAUSNER: Atheistin, Agnostikerin. Wie Sie möchten.

Hatten Sie ein Bedürfnis, noch einmal nach Lourdes zu reisen, nachdem der Film fertig war?

HAUSNER: Nein. Ich war vorher oft genug da.

Die wunderbare französische Schauspielerin Sylvie Testud war von Anfang an Ihre ideale Hauptdarstellerin?

HAUSNER: So sehr ideal, dass ich zunächst beschloss, eine andere zu suchen und an Valeria Bruni-Tedeschi dachte. Sie konnte aber nicht. Dann kam ich auf Sylvie zurück. Und es hätte wirklich keine Bessere sein können - mit ihrer feinen Ironie, mit ihrer Intelligenz. Sie ist so fein und gleichzeitig so stark.

Gibt es Nachwirkungen, wenn man ein solches Projekt hinter sich gebracht hat?

HAUSNER: Nein, dann ist alles abgeschlossen und mich interessiert viel mehr, wie der Film funktioniert. Das hat mit meinem Lernen beruflich zu tun.

Gibt es ein Vorbild, von dem Sie besonders viel gelernt haben?

HAUSNER: Ich habe, während meiner Zeit an der Wiener Filmakademie, Jean-Luc Godards Film "Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß" gesehen. Das war ein echter Augenöffner. In diesem Moment habe ich verstanden, dass man alles machen kann und machen soll. Ich habe verstanden, wie Filme funktionieren können. Dass dieses Medium tausend Türen hat, die man aufmachen kann. Dieses Wunder hat mir sehr viel gegeben.

Mögen Sie Special Effects ?

HAUSNER: Nein. Ich möchte, dass das Übernatürliche im Off bleibt. In "Lourdes" ist es ja präsent, wird aber nicht gezeigt.

Welche Meinung hatte den Ihr Vater, der berühmte Maler Rudolf Hausner, zum Medium Film?

HAUSNER: Mein Vater sagte "Würde ich noch einmal anfangen können, würde ich Filme machen". Weil er es toll fand, dass sich Bilder auch bewegen können.