Gefeiert wurde am Freitag in Wien, wo Johannes Heesters, der "Grandseigneur der Operette", vor 75 Jahren seine Karriere als Schauspieler und Sänger an der Wiener Volksoper begann - in Millöckers Operette "Der Bettelstudent" (danach mit ihm und Marika Rökk auch verfilmt). Der inzwischen nahezu erblindete älteste aktive Schauspieler der Welt, der zuletzt mit donnernder Stimme Gott den Herrn im "Jedermann" in Stuttgart spielte, erinnert sich noch heute daran und singt bei jedem passenden Anlass das berühmte Lied daraus: "Ich knüpfte manche zarte Bande, studierte die Pariserin, die schönsten Frau'n im Sachsenlande, in Deutschland, Ungarn und in Wien."

"Dandy des Jahrhunderts"

Heesters war der "Dandy des Jahrhunderts" und wird als Graf Danilo in der "Lustigen Witwe" ("meine Lebensgefährtin") mit dem Evergreen "Heut geh' ich ins Maxim" noch lange in Erinnerung bleiben - als lebensfroher Gigolo mit Frack, weißem Seidenschal, Nelke im Knopfloch und dem Champagnerglas in der Hand. "Man müsste Klavier spielen können" oder "Ich möchte jede Nacht von Ihnen träumen" gehörten zu seinen bekanntesten Liedern.

Die Texte müssen auch heute noch sitzen, Stottern auf der Bühne gibt es für den aus Holland stammenden Heesters auch mit 106 Jahren nicht: "Ich finde, man muss auf der Bühne immer gut vorbereit sein und aufpassen, dass man nicht anfängt, nach Worten zu suchen. Das ist doch peinlich für einen Künstler, egal wie alt er ist", sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa im Vorfeld seines Geburtstages und der in Wien geplanten Ehrungen, im Rathaus und in Grinzing. Er erhält die Goldene Wien-Plakette der Stadt Wien.

Zuvor hatte es bereits am 26. November den achten Bambi für "Jopie" gegeben, auch wenn der am Starnberger See lebende Heesters dazu nicht extra nach Potsdam-Babelsberg kam. Stattdessen machte er sich für die Geburtstagsgala in Wien fit, die ihm doch sehr am Herzen liegt. "Da hat doch alles angefangen", nach den ersten kleinen Rollen in seiner holländischen Heimat - die Heesters nach Kriegsende wegen seiner Tätigkeit in Nazi-Deutschland (als "Lieblings-Danilo Hitlers") nicht besonders freundlich gesinnt war. Erst im Februar 2008 war ihm eine Art "späte Versöhnung" gegönnt mit einem Auftritt im niederländischen Amersfoort, wo Johannes Marius Nicolaas Heesters am 5. Dezember 1903 geboren wurde.

Berufliche Anfänge

Seine Karriere begann in den 30er Jahren als Schauspieler und Operettensänger und Filmstar in Berlin und Wien, und er blieb damals in Deutschland. Damit verbunden ist bis heute ein dunkles Kapitel in seiner Karriere, der umstrittene, nach seinen Erinnerungen befohlene Besuch im KZ Dachau. Gegen die Behauptung, er sei dort sogar aufgetreten, führt Heesters bis heute in Berlin einen Prozess. Sein Widerspruch gegen diese Behauptung eines Autors war vor einem Jahr in erster Instanz zurückgewiesen worden, seine Berufung hängt noch immer beim Berliner Kammergericht an.

Nach dpa-Informationen neigt man auch dort dazu, Heesters wieder abzuweisen. Der KZ-Besuch selbst wird in dem von seiner Frau 2006 herausgegebenen umfangreichen Fotoband ("Ein Mensch und ein Jahrhundert") dokumentiert. "Mein Mann ist im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen immer auf Distanz zu den braunen Machthabern geblieben", betont Simone Rethel-Heesters.

Aber die dunklen Seiten dominieren nicht in Heesters Erinnerungen, die geprägt sind von der Rolle seines Lebens als "Dandy des Jahrhunderts", auch wenn das nun schon so lange her ist. Dass manche Leute über den "Dinosaurier" unter den Schauspielern sagen, "ach Gott, der lebt ja noch!", weiß Heesters auch, er schmunzelt nur darüber. Beim 104. Geburtstag verewigte er sich auch mit dem Ruf "Ich bin noch da!" mit seinem Händeabdruck vor dem Berliner Friedrichstadtpalast im "Walk of Fame" (Ruhmesweg) nach dem Vorbild Hollywoods.

Applaus im Ohr

Auch wenn die großen und gefeierten Auftritte schon ewig her sind, Heesters hat den ersten Applaus noch immer im Ohr. Und das "alte Zirkuspferd", wie in der Bühnenbranche in Ehren altgewordene und noch aktive Schauspieler achtungsvoll genannt werden, folgt der Devise seiner 60 Jahre alten Ehefrau Simone Rethel ("Poppie", wie Heesters sie nennt), die ihm beim Einüben der Texte hilft. "Je mehr los ist, je mehr Kraft hat er, desto besser fühlt er sich, denn sich schonen ist eigentlich das, was Kraft nimmt - ich wünsche jedem, dass er so altern kann wie Jopie". Dem stimmt ihr Mann aus vollem Herzen zu: "Soll ich zu Hause sitzen und warten, bis man mich holt? Ohne Arbeit würde ich richtig krank werden."

Das hat Heesters ein Leben lang so gehalten. Mit einer schier unglaublichen Karriere, auf der Kinoleinwand, im Fernsehen und auf der Bühne, von der "Fledermaus" und der "Hochzeitsnacht im Paradies" bis zu "Sonny Boys", "Ein gesegnetes Alter" oder "Casanova auf Schloss Dux". Dabei lag dem in Ehren altgewordenen Dandy auch immer eine Frage auf dem Herzen: Er würde Casanova gerne mal fragen, "ob er glücklich war in seinem Leben".

Aber Heesters neigt nicht zum langen Philosophieren. "Disziplin, gesundes Leben und eine positive Einstellung zum Leben", er sieht sich als glücklichen Menschen, noch immer, auch wenn es vielleicht einsamer wird und die Fast-Erblindung ihn bekümmert. Natürlich muss er aufpassen, auch auf jeden seiner Schritte, damit sich das Unglück vom Jahreswechsel 2007/2008 nicht wiederholt, als er im Treppenhaus seines Tiroler Feriendomizils unglücklich stürzte und mit Rippenbrüchen ins Krankenhaus gebracht werden musste. Aber "Heesters singt schon wieder!" hieß es bereits am nächsten Tag in der Klinik.

Natürlich weiß auch ein Heesters: "Irgendwann kommt der Tag und dann ist es vorbei." Aber ein Ziel hat er noch - er will noch zwei Jahre leben, damit er dann zum zehnten Mal bei der Bambi-Verleihung geehrt werden kann, wie er es Ende November 2009 anlässlich der achten Verleihung bekräftigte. So leicht gibt Jopie nicht auf.