Klaus Maria Brandauer tritt wieder einmal im Burgtheater auf, diesmal aber (am 8. November) mit der Lesung eines religiösen Textes. Die Viennale zeigt übrigens morgen und übermorgen den Film " Tetro ", den er mit Francis Ford Coppola drehte. 2010 erfolgt die Rückkehr nach Salzburg.

In "Ich möchte glauben lernen" lesen Sie Texte des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis hingerichtet wurde. Die Uraufführung erfolgte im Heidelberger Dom. Wie kam es zu diesem Projekt?

KLAUS MARIA BRANDAUER: Ich hatte in einer ABC-Produktion über Bonhoeffer mitgewirkt, danach fragte mich die Bonhoeffer-Gesellschaft, ob ich nicht einen Abend gestalten wollte. Ich willigte ein, wollte aber Musik dazu haben. Also werde ich von Daniel Hope und seiner Violine begleitet. Es sind die Briefe, die er in den zweieinhalb Jahren bis zum Tod an seine Verlobte und seine Eltern geschrieben hat. Sie waren unglaublich einprägsam und das Leben bejahend, und das von einem Mann, der sich ausrechnen konnte, dass er das Gefängnis nicht lebend verlassen würde. Ich denke, dieser Text könnte die Menschen ermutigen, zumindest eine Stunde am Tag über ihre Existenz nachzudenken.

Ohne dass es mit Allerheiligen, Allerseelen, Advent zu tun hätte?

BRANDAUER: Nein, wir sind nicht priesterlich unterwegs. Das ist reiner Zufall. Der November scheint dazu angetan, uns über jene, die nicht mehr unter uns sind, Fragen zu stellen. Wie sind sie umgekommen? Und warum? Zufällig wird in Deutschland jetzt auch mein Film "Georg Elser " wiederaufgeführt. Ob das Schicksal von Bonhoeffer oder das des Hitler-Attentäters Georg Elser , es sollte Anstoß für uns sein: Mach den Mund auf! Oder mit einem Wort: Zivilcourage. Das beginnt damit, dass wir nachdenken sollten, zum Beispiel darüber: Was mache ich, wenn am Bahnhof jemand vor meinen Augen zusammengeschlagen wird? Bonhoeffer kam damals aus den USA, wo er Privatdozent war. Er muss geahnt haben, dass ihn in der deutschen Heimat nichts Gutes erwarten würde. Trotzdem hat er sich entschieden, da zu bleiben. Und den Mund aufzumachen.

Wann gibt es für Sie wieder eine große Aufgabe am Burgtheater?

BRANDAUER: Wir sind im Gespräch und haben konkrete Vorstellungen. Aber ich möchte nicht von Ankündigungen leben. Wenn wir was machen, dann mach ma's . Ich habe gehört, dass irgendwann der "Nathan" wieder aufgenommen werden soll. Das würde mich sehr freuen.

Es gibt Kollegen, die am Burgtheater fünf bis sechs große Rollen pro Jahr spielen. Sie sind seit 1971 an diesem Haus, und es waren insgesamt höchstens. . .

BRANDAUER: . . .zwölf.

Nur zwölf. Immerhin hat es für die Ehrenmitgliedschaft gereicht.

BRANDAUER: Teilweise hat es damit zu tun, dass manche Stücke zwei, drei, vier Jahre auf dem Spielplan waren. Und mit der Erlebnisfähigkeit, die ich mir bewahren möchte. Dass nämlich jeder Abend ein Fest sein soll. Es gelingt nicht immer, aber ich brauche dieses Gefühl der Einmaligkeit, das Gefühl, mit dem Publikum jedes Mal eine ganz andere Reise zu unternehmen. Ist es nicht so, dass wir mit jedem Tag gescheiter werden? Gut, manchmal vielleicht auch blöder. Jedenfalls möchte ich nicht pro Woche mehrere Figuren darstellen. Irgendwas würde darunter leiden. Ich habe ja, wenn schon nicht religiöse, so doch vielleicht sektiererische Ansichten über die Schauspielkunst.

Bitte mehr darüber!

BRANDAUER: Ich möchte in diesem Geigenkasten, der ein solcher Raum ist, direkt von mir aus die Luft beatmen, die ganze geistige Kraft der Worten großer Autoren und Dichter, selbst die leisesten Stellen, rüberbringen. Ganz ohne Mikro, denn es soll ja Kunst werden. Mit der Kraft des Wortes die Zeit anhalten, das mache ich gerne. Man kann es klarerweise nicht jeden Tag erreichen. Ich habe drei Wände um mich, die die Papp'n halten, weil sie eben Wände sind. Doch die vierte atmet, und dann geschehen vielleicht Dinge, die man sich sonst nur von Lourdes erzählt.

Coppolas Film " Tetro ", in dem Sie eine Doppelrolle verkörpern, läuft ab 12. Dezember in unseren Kinos. Wie arbeitet es sich mit einem Mann wie ihm?

BRANDAUER: Unauffällig und dadurch sehr intensiv. Wenn man bald merkt, dass man immer gern zum Drehort geht, dann ist das ein Zeichen für die richtige Stimmung, ohne dass man einander jeden Morgen vor Freude ins Ohrwaschl beißen muss.

Im Sommer kehren Sie, 20 Jahre nach Ihrem letzten "Jedermann", nach Salzburg zurück. Mit welchen Gefühlen?

BRANDAUER: Ich möchte momentan eigentlich nur sagen, dass ich mich irrsinnig freue, dass dieser "Ödipus auf Kolonos " auf die Pernerinsel kommt. Vielleicht würde er eigentlich in die Felsenreitschule oder gar auf den Domplatz gehören, doch das darf ich eigentlich nicht sagen, weil ich für den "Jedermann" bin, und auf dem Domplatz darf es nichts Alternierendes geben. Aber den "Ödipus" mit meinem Freund Peter Stein auf der Pernerinsel , das ist eines jener Angebote, die man nicht ablehnen kann. Und: Langsam denke ich mir, und das hat mit dem "Nathan" begonnen: Ist das nicht vielleicht meine letzte Rolle? Man soll das nicht überbewerten, aber selbstverständlich spielt das mit. Zumal ich meiner Karin vor rund 50 Jahren einmal gesagt habe: "Schauspieler bleib' ich dir nicht".