Der erste weltweite Erfolg eines deutschen Nachkriegsautors bahnte sich an, und der erste Satz des Buches wurde schnell berühmt: "Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt..."

Seit Thomas Mann hatte nach Ansicht von Nadine Gordimer kein deutscher Schriftsteller eine so große Wirkung auf die Weltliteratur. Und für den japanischen Schriftstellerkollegen (und Nobelpreisträger) Kenzaburo Oe ist die "Blechtrommel" einer der bedeutendsten Romane in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für Martin Scorsese war es zum Beispiel der erste Roman überhaupt, den er las, noch vor "Moby Dick".

Ein bedeutsames Jahr

1959 war ein ereignisreiches Jahr für die deutsche Nachkriegsliteratur - neben der "Blechtrommel" erschienen zum Beispiel noch Heinrich Bölls "Billard um halb zehn" und Uwe Johnsons "Mutmaßungen über Jakob". Böll und Grass sind denn auch die bisher einzigen deutschen Literaturnobelpreisträger der Nachkriegszeit. Akademie-Sekretär Horace Engdahl meinte 1999 in seiner Laudatio auf Grass, der Autor, dessen frühere Zugehörigkeit zur Waffen-SS als Jugendlicher erst 2006 bekanntwurde, habe mit seiner literarischen Arbeit den "bösen Bann gebrochen, der über Deutschlands Vergangenheit lastete".

Diese und zahlreiche andere Stimmen zum Opus magnum von Günter Grass sind nachzulesen in einem Sonderheft, das einer Jubiläumsgabe der "Blechtrommel" beigelegt ist (Steidl Verlag). Für die Geburtstagsausgabe hat Grass einen neuen Umschlag mit fünf trommelnden Oskar Matzeraths gezeichnet, ein zweiter Schutzumschlag zeigt das Motiv der Erstausgabe.

1958 hatte der Lyriker und Bildhauer Grass ein Kapitel aus seinem neuen Buch auf einer Tagung der Autoren-Gruppe 47 im Gasthof "Adler" in Großholzleute im Allgäu vorgelesen. "Er sah verwegen aus, etwas heruntergekommen, wie mir schien, desperat wie ein bettelnder Zigeuner", erinnerte sich später der "Vater" der Gruppe 47, Hans Werner Richter. Für Grass sei es wohl ein Tag des Triumphes gewesen, "der sich in dieser Intensität trotz aller späteren Erfolge wohl nicht wiederholt hat".

Das Echo dieses Triumphes brauchte allerdings noch 28 Jahre, bis es auch im zweiten deutschen Staat hörbar wurde und das Buch in der (bereits langsam untergehenden) DDR noch erscheinen konnte. Einer der berühmt-berüchtigten DDR-Kulturfunktionäre, der Schriftsteller Hermann Kant ("Die Aula"), mäkelte 1960 an dem "Solo in Blech" herum, das "keine Grenzen im Ersinnen von Abnormem und Monströsem" kenne und von einem Autor stamme, "den einige Kritiker uns als den neuen Rabelais, den neuen Grimmelshausen verkaufen möchten".

Dabei war Kant, der seine "politische und parteiliche" Kritik später eher peinlich fand, keineswegs allein in seiner Ablehnung der "Blechtrommel". Auch der spätere westdeutsche "Kritikerpapst" Marcel Reich-Ranicki oder Rudolf Augstein, der den Roman "zu pompös und langatmig" fand, auch sie hatten einiges an dem Grass-Buch auszusetzen, von einigen Kirchenvertretern oder konservativen Politikern ganz zu schweigen. Sie protestierten in der Adenauer-Ära lautstark mit ihren Aktionen wie "Saubere Leinwand" gegen die ihrer Meinung nach allzu "freizügigen" Szenen im Buch, manche sprachen schnell von "Pornografie". Moralinsaure Attacken auch in der Kunst waren damals keine Seltenheit. Grass ebnete der sexuellen Freizügigkeit in der Gesellschaft in der noch jungen Republik damit schon etwas den Weg - noch vor der späteren rebellischen 68er Jugendrevolte.

Tatsache ist auch, dass Grass in seinem Roman der Nazizeit das Dämonische nahm und den kleinbürgerlichen, angeblich immer hilflosen Mitläufern und -tätern auf die Alltagsfinger sah und deren Schicksal mit der Weltgeschichte in vielen kleinen Episoden verwoben hat. Ganz nebenbei kam dabei aber auch eine Art Liebeserklärung des 1927 in Danzig geborenen Autors an seine kaschubische Herkunft und Heimat heraus. Literaturgeschichtlich gesehen, war es der experimentell-expressionistische Stil der "Blechtrommel", der "Karnevalsumzug des Erzählens", der Generationen von Autoren beeinflussen sollte, so wie auch Grass Schriftsteller wie Alfred Döblin als eines seiner großen Vorbilder ansieht. Grass, gelernter Steinmetz, sei auf die Sprache losgegangen "wie der Steinmetz auf Granit", meinte Thomas Brussig. "Dadaismus mit Vernunft" nannten das manche.

So gesehen hatte denn auch Grass eine größere Bedeutung als sein Nobelpreiskollege Heinrich Böll für die Literaturgeschichte. Aber ähnlich wie schon bei den "Buddenbrooks" hat auch "Die Blechtrommel" Jahrzehnte auf die höchsten Weihen aus Stockholm warten müssen. Und bis 1980 dauerte es noch, bis die "Blechtrommel" auch auf die Leinwand kam, von Volker Schlöndorff verfilmt und wie das Buch mit der höchsten Ehrung in seiner Kunstsparte bedacht - mit dem ersten deutschen Spielfilm-Oscar der Nachkriegszeit. Es war gleichzeitig auch der internationale Durchbruch für den deutschen Film nach 1945, nachdem Autorenfilmer wie Fassbinder, Herzog und Wenders bereits in Cineastenkreisen Furore gemacht hatten.