Am Lido in Venedig wird fleißig an der Zukunft des ältesten Festivals der Welt gewerkelt. Eine große Baugrube klafft in diesem Jahr dort, wo beim vergangenen Festival noch Bäume und provisorische Imbiss- und Infobuden standen. Ein großes, modernes Festivalzentrum ist dort im Enststehen, das 2012 fertig sein soll. Und vor dem Casino wurde heuer eine Zeltkonstruktion errichtet, in der ebenfalls Filme laufen. Das alles ist Improvisation im Dienste kommender Neubauten.

Doch trotz all der architektonischen Aufbruchssignale: Zukunftsweisendes Kino war mit Guiseppe Tornatores "Baarìa", mit dem die 66. Filmfestspiele von Venedig Mittwoch Abend eröffnet wurden, nicht zu sehen.

Ein Generationen umspannendes Epos will dieser in sizilianisches Sonnenlicht getünchte Film sein - das scheint einem der legendäre "Cinema Paradiso"-Regisseur hier zumindest immer wieder lautstark entgegen rufen zu wollen mit seinen Kameraschwenks, seiner verschwenderischen Ausstattung und der aufdringlichen Musik, die sich über jede Szene legt. Stattdessen aber hetzt er durch die Geschichte eines Lebens, einer Liebe, einer Familie, der Ideale eines armen, aber engagierten Kommunisten in einem sizilianischen Dorf.

Verpufft

Faschismus, Krieg, Mafia, Liebe, Armut oder die bei Tornatore gern beschwörte Kinomagie: "Baarìa" wird zur Stichwortsammlung, die durch keinen zentralen Konflikt und keine Entwicklung zusammengehalten wird. So erzählt Tornatore zwar vieles und letztlich doch kaum etwas, bevor er zum bedeutungsschwangeren Schluss nach zweieinhalb Stunden seltsam wirkungslos verpufft.

Im diesjährigen Wettbewerb, der ein denkbar breites Spektrum vom Zombie-Horror bis zum Libanonkrieg ausreizt, konkurriert "Baarìa" als einer von insgesamt 25 Beiträgen um die Gunst der von Regisseur Ang Lee angeführten Jury um den Goldenen Löwen. Neben den zahlreichen Beiträgen aus Europa wie Jessica Hausners "Lourdes", schon heute Nacht im Programm, oder Fatih Akins "Soul Kitchen" zeigt dabei vor allem Hollywood Flagge.

Der umstrittene Doku-Filmer Michael Moore hingegen nimmt nach dem Abgang seines Lieblingsfeindbilds George W. Bush in "Capitalism: A Love Story" nun erwartungsgemäß die Finanz- und Wirtschaftskrise ins Visier.

Der Journalistenandrang entspricht dem langjährigen Schnitt. Aber die Kataloge sind billiger geworden. Und, man staune, in der Gran Viale locken viele Wirte die internationalen Schreiber mit deutlich sichtbaren Rabatt-Signalen. Man staunt.