Herr Glavinic, über Ihre enormen internationalen Erfolge kursieren nur noch ungefähre Zahlen. Könnten Sie uns da einige präzisere Eckdaten nennen?

THOMAS GLAVINIC: Ich denke, es werden 15 oder 16 Sprachen sein, in die meine Bücher übersetzt sind. Die Gesamtauflage kenne ich auch nicht genau, auf Deutsch sind es einige 100.000 Exemplare, glaube ich.

So genau wollten wir es auch nicht wissen. Aber in welchem dieser Länder fühlen Sie sich als Autor besonders gut verstanden? Speziell in Frankreich und Italien gibt es enorme Lobeshymnen.

GLAVINIC: Ich würde nicht sagen, dass ich mich in einem ganzen Land viel besser oder schlechter verstanden fühlen würde als in anderen. Tatsächlich gibt es einige meiner Bücher, bei denen ich in Deutschland eine vorurteilsfreiere Rezeption erlebt habe als hier, gerade bei "Das bin doch ich".

Warum?

GLAVINIC: Wohl deshalb, weil im Buch Personen der österreichischen Öffentlichkeit vorkommen oder vorzukommen scheinen. In Deutschland ist der Wiener Kulturstadtrat jedem egal. Dort liest man es, wie es gemeint ist: Die Figuren sind Platzhalter.

Mittlerweile erobern Sie zumindest indirekt auch die Kinos. Der "Kameramörder", in Ungarn bereits preisgekrönt, wird am Dienstag als Auftaktfilm zur Diagonale gezeigt. Betrachten Sie diese Filme als völlig abgekoppelt von Ihren Werken oder hätten Sie auch gerne selbst ein Wort mitgeredet?

GLAVINIC: Ich hätte ja mitreden können. Wollte aber nicht. Mein Buch ist mein Buch und fertig. Der Film ist das Werk von Regisseur Robert A. Pezo. Dass er so schön gelungen ist, freut mich. Und mich freut es, die Rechte zu verkaufen.

"Wie man leben soll" wird derzeit ebenfalls verfilmt. Gibt es noch weitere Projekte? "Die Arbeit der Nacht" ließe sich ja ideal als Ein-Mann-Epos realisieren, vielleicht mit Christoph Waltz ...?

GLAVINIC: Ja, und am besten von Tarantino ... Aber lassen wir die Träume beiseite. "Wie man leben soll" wird verfilmt, von David Schalko, neben vielen anderen spielen Josef Hader, Bibiane Zeller, Lukas Resetarits, Robert Palfrader und Marion Mitterhammer mit. Und David Schalko wird voraussichtlich 2011 auch "Das Leben der Wünsche" machen.

Zurück zur Literatur. Sie erklärten in einem unseren Interviews, mit Ihren Romanen eine kleine, fiktive Stadt zu errichten, in der jedes Haus anders aussieht. Welches "Gebäude" wird folgen?

GLAVINIC: Ich hoffe, keine Garage!

Welchen Literaten würden Sie gerne persönlich kennenlernen?

GLAVINIC: Denis Johnson! Ansonsten würde ich sagen, gar keinen, denn meistens oder vermutlich immer sind die Bücher viel interessanter als der Mensch dahinter, da kann man schon auch Enttäuschungen erleben.

Sie sind, im Gegensatz zu anderen Autoren, mit öffentlichen Wortmeldungen nicht präsent. Widerstrebt Ihnen das oder haben Sie kein Bedürfnis danach?

GLAVINIC: Erstens möchte ich nicht zu jenen gehören, die ständig zu allem Kommentare abgeben und deswegen in Wahrheit gar nicht mehr gehört werden, weil man sie, zu Recht oder zu Unrecht, als Daueralarmisten abtut.

Und zweitens?

GLAVINIC: Zweitens gibt es Situationen, in denen man mich garantiert hören würde. Sollte ein "blaues Wunder" eintreten und diese Frau Rosenkranz zur Bundespräsidentin gewählt werden zum Beispiel. Die soll doch bitte ihre Sonnwendfeiern organisieren und anständige Leute in Ruhe lassen. Mir wird schlecht, wenn ich diese Figuren sehe, deshalb will ich gar nicht über sie reden. Wenn sie gewählt würden, wäre das eine andere Situation.

Das könnte Sie also auf die Barrikaden treiben?

GLAVINIC: Ja. Es gibt in bestimmten Situationen eine Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat. Wenn etwa antidemokratische Kräfte auftreten, um mithilfe der Demokratie diese auszuhebeln oder zurückzudrängen. Egal, ob das Rechte oder Linke oder Islamisten sind, sie alle gilt es zu bekämpfen.