I hr Presseagent hat gebeten, Sie nur über die Premiere Ihres Musicals zu fragen und nicht mehr über Kärnten oder politische Verhältnisse in Österreich. Gehen Ihnen die Fragen über Österreich bereits auf die Nerven?

UDO JÜRGENS: Natürlich geht es mir auf die Nerven, weil ich jetzt auch von internationalen Medien dauernd angesprochen werde. Man weiß, dass ich Kärntner bin. Kärnten ist die größte Peinlichkeit, die es im Augenblick in Mitteleuropa gibt. Was soll man da sagen? Man schämt sich wahnsinnig für das, was dort geschehen ist. Aber die Bürger des Landes können nichts dafür, es sind die Machthaber gewesen. Es sind nicht alle Kärntner Nazis, nicht alle dumpf. Kärnten ist ein wunderschönes Land und hat großartige Menschen.

In Hamburg stürmten mehr als eine Million Menschen Ihr Musical "Ich war noch niemals in New York", kommenden Mittwoch ist die Premiere am Raimund-Theater in Wien. Wie verändert sich der Umgang mit Erfolg nach 50 Jahren Dauererfolg?

JÜRGENS: Wahrscheinlich hat er sich geändert. Aber nie in meinem Leben hat eine Kalkulation auf Erfolg Platz gehabt. Ob ich ein Lied schreibe oder beim Musical mithelfe, ich wollte immer, dass es gut wird. Wenn eine Folge davon Erfolg ist, soll es mir recht sein. Die sicherste Methode, kein Star zu werden ist, zu sagen: Ich will ein Star werden. Mir war es immer unangenehm und suspekt, dass ich meine Haut zu Markte tragen musste. Aber das geht in der Musik nicht anders, der Interpret steht an der Front.

Nach dem Erfolg in Hamburg wird nun einer in Wien folgen . . .

JÜRGENS: Klar ist das in unserem Beruf nie. Aber wir werden schauen, dass Wien auch klappt und alle Darsteller, die großartig sind, ihr Bestes geben können. Da spielt ja viel mit.

Die Lebenseinstellung der älteren Frau, die in dem Musical zum ersten Mal nach New York fährt und neu durchstartet, würden Sie ja sofort unterschreiben. Weil Neustart Teil Ihrer Lebenseinstellung ist?

JÜRGENS: Ja, es ist Teil meiner Lebensphilosophie, dass man auch über 60 oder sogar über 70 entscheidende Weichen selber stellen kann und soll. Man soll da nicht Rücksicht auf die Kinder, auf die Tante und alles Mögliche nehmen. Man muss das tun, was man glaubt, tun zu müssen. Und das sollte nicht aufhören, weil man älter wird.

Verraten Sie uns, welche Weichen Sie neu gestellt haben?

JÜRGENS: Ich habe mir klargemacht, dass ich in einer Ehe oder in einer Beziehung, die nicht mehr funktioniert, auch in höheren Jahren Veränderungen vornehmen muss. Dass ich lebe, wie ich glaube, leben zu müssen.

Sie waren 60 Mal in New York?

JÜRGENS: Ich habe es nicht gezählt, aber es war oft dreimal im Jahr .

New York steht für Weltoffenheit, wofür Sie immer plädieren. Wie schockiert sind Sie, dass eine Präsidentschaftskandidatin sich in einem Notariatsakt von der NS-Zeit distanzieren muss?

JÜRGENS: Das sind die Augenblicke, wo ich nicht begreife, was sich in Österreich tut. Ich kann es nicht begreifen, dass so etwas überhaupt möglich ist.

Die Premiere Ihres Musicals in Wien bezeichnen Sie als einen Meilenstein. Warum?

JÜRGENS: Es ist ein großer Meilenstein, in Wien so etwas erleben zu dürfen. Musical ist Musiktheater der heutigen Zeit. Dass ein renommiertes Theater in der Wiener Musiktradition Musiktheater mit meinem Namen aufführt, ist etwas Besonderes. In dieser Tradition in Wien präsent sein zu können, empfinde ich als eine ganz große Ehre. Ich werde Johann Strauß in Dankbarkeit wieder eine Rose auf die Geige legen.

Wann?

JÜRGENS: Das sage ich nicht. Das mache ich, wenn keine Leute dort sind. Irgendwann einmal, vielleicht um halb fünf in der Früh.

Sie planen im Sommer eine neue Reihe an Konzerten. Die Lust, auf der Bühne zu stehen, hört nicht auf?

JÜRGENS: Ich habe derzeit so viele Großprojekte, das Filmprojekt wird begonnen, im Sommer werde ich zehn oder zwölf Konzerte allein am Klavier geben. Das macht mir große Freude und es erfüllt mich auch mit Freude, dass ich das alles noch machen kann.

Und zwischendurch kokettieren Sie mit Ihrem Erfolg und Ihrem Aussehen, wenn Sie fragen "Na, wer will denn den alten Dodel noch sehen"?

JÜRGENS: Man kann das natürlich als Koketterie auffassen. Aber es hat auch mit Demut zu tun. Das ist doch alles nicht selbstverständlich.