In Ernst Gombrichs berühmter "Geschichte der Kunst" wird er nicht einmal erwähnt. Und selbst der ihm durchaus wohlgesonnene Kunsthistoriker Werner Hofmann gibt in seiner großen Untersuchung "Gustav Klimt und die Wiener Jahrhundertwende" zu, dass Klimt im Vergleich zu Alterskollegen wie Munch, Matisse oder Kandinsky keineswegs die radikalsten Wege beschritten habe, dass sich die totale Umwälzung der Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner Kunst kaum widerspiegle, von den "Kühnheiten der Expressionisten" ebenso weit entfernt wie vom "Neuland der Abstraktion".

Mit Ornament-Orgien zum Souvenir-Kitsch

Für den Philosophen Michel Onfray liegt Klimts Erfolgsgeheimnis in der Eklektik seines Stils. "Klimt arbeitet mit einer Mischung aus Symbolismus und Impressionismus. Er lädt diesen mit japanischer Tradition auf, fügt Reste der Präraphaeliten und der Nazarener hinzu und scheut auch andere Reminiszenzen des 19. Jahrhunderts nicht, wie den Orientalismus und die akademische Malerei. Dazu kommen zeitgenössische pointilistische Techniken und eine Vorahnung des Expressionismus. (...) Klimt ist alles zugleich", schreibt Onfray. Und: "Anders gesagt, diese Malerei arbeitet ganz unverhohlen mit Kitsch."

Heute darf der Jugendstil-Altmeister als einer der prominentesten Künstler des vergangenen Jahrhunderts gelten. Sein "Kuss", millionenfach reproduziert und als Dekor auf Tüchern, Regenschirmen, Vasen und Aschenbechern zu finden, gilt als moderne Ikone, seine "Goldene Adele" hatte vor etwas mehr als fünf Jahren den Rang des teuersten Kunstwerks der Welt. Das sind - für Museen und Tourismus-Industrie - die besten Voraussetzungen dafür, dem Geburtstag von Gustav Klimt, der sich am 14. Juli 2012 zum 150. Mal jährt, gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Der Wiener Klimt, der zeitlebens nur ungern weiter als bis ins Salzkammergut reiste, wurde ein Weltstar, obwohl er mit seiner Verschmelzung von Kunst und Kunstgewerbe "in eine Sackgasse geraten" ist, statt richtungsweisend zu werden, wie es Klimt-Experte Alfred Weidinger analysiert. Sein Hauptwerk, der Fries im Speisesaal des von Josef Hoffmann errichteten Brüsseler Palais Stoclet, ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, seine umstrittensten Werke, die Skandal machenden und schließlich von ihm zurückgekauften "Fakultätsbilder" für die Universität Wien, sind 1945 ebenso verbrannt wie ein berühmtes Schubert-Gemälde.

Porträtmaler mit Hang zum Nacktbild

Als gefragter Porträtmaler für Industriellengattinnen stellte er legendär hohe Honorarforderungen, gleichzeitig entstanden unzählige sehr explizite Zeichnungen nackter und halbnackter Frauen. Die von Gerüchten umrankte Atmosphäre seiner Ateliers beflügelte nicht nur die Fantasie der Zeitgenossen, sondern fast ein Jahrhundert später auch jene des Filmregisseurs Raoul Ruiz, der John Malkovich als Klimt-Darsteller gewinnen konnte.

Nach Klimts Tod sollen für insgesamt 14 Kinder Ansprüche gestellt worden sein, die Vaterschaft von drei Kindern (darunter der spätere Filmregisseur Gustav Ucicky) gilt als gesichert. Dennoch lebte er nie in einer eigenen Wohnung, sondern stets bei seiner Mutter und seinen Schwestern. Vermutlich sind es gerade die Ungereimtheiten, die vielen Widersprüche, die diese Figur so schillernd machen wie die Goldplatten seiner legendären Bilder. "Es ist an der Zeit, die Heroisierung zu beenden und das Ganze objektiver zu betrachten", meint Weidinger.