München. Vor einem Monat startete Martin Kusej, unter intensiver Beobachtung des deutschen Feuilletons und der österreichischen Theaterkritiker, seine erste Spielzeit als neuer Intendanten des Residenztheaters in München.

Mit seiner Inszenierung von Schnitzlers "Das weite Land" unterlief der 50-Jährige einmal mehr die ihn gesetzten Erwartungen. Mit dem Eröffnungsstress ist auch die Anspannung etwas gewichen und der Theatermann fand Zeit für ein Interview. Im Gespräch mit Janko Ferk* gibt er zu seinen Theaterintentionen und Plänen in München Auskunft, nimmt sich aber auch zu Kärnten kein Blatt vor den Mund. Mit der Ortstafellösung ist er -nicht als einziger - unzufrieden.

Sie haben gemeint, das Eröffnungswochenende am Residenztheater in München sei ziemlich anstrengend gewesen, aber doch ein fulminanter Start... Wie war es?

MARTIN KUSEJ: Das ganze neue Theater-Team ist mit allen, zum Teil sehr weitgehenden Neuerungen, gespannt und freundlich empfangen worden. Wir hatten uns zu einem wirklich massiven Premierenmarathon entschieden, der alle an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht hat - auch die Zuschauer ...

Sie werden das Repertoire des Residenztheaters zur Gänze erneuern.

KUSEJ: Nun, nach dem großen Auftakt gibt es kein Verschnaufen, sondern der harte Theater-Alltag fordert genauso alle Kräfte und wenn man ein Repertoire komplett von Null aufbauen muss, dauert das seine Zeit. Dazu kommt der völlig erwartbare Wechsel in der Zuschauerstruktur - das geht nicht von heute auf morgen. Trotzdem, die Stimmung ist wirklich toll hier und macht Lust auf mehr.

Schnitzlers "Weites Land" wird derzeit nicht nur in München gespielt, sondern auch in Klagenfurt und Wien. Wollten Sie einen direkten Vergleich mit dem Burgtheater ermöglichen?

KUSEJ: Ich habe wirklich wichtigere Dinge zu tun, als auf andere Theater zu schielen. "Das weite Land" ist seit Jahren schon auf meiner Interessens-Wunschliste und ich wollte mich bewusst mit einer Ästhetik beziehungsweise Theaterform konfrontieren, die ich neu entdecken musste. Deshalb war auch die Überraschung groß, als ich nicht im erwartbaren Rahmen inszeniert habe, sondern dem Stück und seiner eigenen Sprache gefolgt bin.

Das Münchner Publikum hatte andere Erwartungen.

KUSEJ: Allein das hat mir schon Spaß gemacht - die langen Gesichter all jener, die irgendeine Zertrümmerung Schnitzers von mir erwartet hatten.

Welche Pläne haben Sie für das Residenztheater?

KUSEJ: Für mich ist dieser Job tagtäglich neu und aufregend - nicht nur positiv, denn so ein Betrieb mit 460 Personen ist ein riesiges Biotop, mit allen Verwerfungen und Problemen, die so was halt mit sich bringt. Da ein guter Kapitän zu sein, mit Verständnis und Zuwendung für die einzelnen Mitarbeiter, und gleichzeitig ein klare Führungslinie zu fahren und nach außen hin dafür zu sorgen, dass das Theater seinen Platz und seine Wichtigkeit in der Gesellschaft behauptet, erfordert meine ganze Kraft.

Hat Sie das sehr lebendige Kärntner slowenische Laientheater zu Ihrem Beruf inspiriert oder hat es für Sie, weil Sie ja in Ruden/Ruda aufgewachsen bist, gleichsam am zweisprachigen Rand, keine Rolle gespielt? KUEJ: Es war kein explizit slowenisches, aber doch Laientheater, mit dem ich schon als Kind konfrontiert wurde: Krippenspiele, Muttertagsfeiern und natürlich das große sonntägliche Ritual in der Kirche mit diversen Festtagen und Begräbnissen - überall große Gefühle, große Fragen, große Eindrücke. Später habe ich dafür erste Stücke geschrieben und meine zweisprachige Identität als Motor für meine künstlerische Arbeit begriffen.

Ich habe bei unserem Gespräch den Eindruck, dass Sie über Ihre Ursprungsheimat immer gut informiert sind. Sind Sie mit der Ortstafellösung zufrieden?

KUSEJ: Es ist wohl leider zu spät, diesem ganzen unseligen Vorgang noch einen weiteren Kommentar hinzuzufügen. Allerdings ist dieses "Jetzt sei halt mal zufrieden!" Ausdruck genau jener falschen Verhältnisse, unter denen die Lösung zustande gekommen ist. Man hat aus einem eindeutigen juristischen Auftrag an die Mehrheit ein paar Krümel gemacht, mit denen sich die Minderheit gefälligst einverstanden zu erklären hat. Man soll mich nicht falsch verstehen - wenn jetzt eine gewisse Ruhe und Verständigung einkehrt, will ich auch nicht weiter herummeckern.

Das sind ja ungewohnte Töne! Aber noch einmal: Sind Sie zufrieden?

KUSEJ: Mir geht es im Grund immer darum, dass in Kärnten echtes politisches, demokratisches und tolerantes Denken nicht möglich ist. Das Verhältnis zwischen stärker und schwächer ist das einzige, das in den Köpfen der Menschen verankert ist - aus jahrhundertealter Tradition - und so verstehen sie auch Politik: Wer stärker ist, schafft an! Leider ...

* Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu.