Nichts gegen Konventionsbrechungen und Neudeutungen. Insofern riskiert der Choreograf Karl Alfred Schreiner einiges. Leider wackelt das Ergebnis. Vor allem der Verzicht auf den Spitzenschuh hat fatale Folgen. Weder kann das Ensemble seine veritable Fußtechnik zur Geltung bringen noch schafft es die barfüßige oder flach beschuhte Kompanie die duftigen Momente des Weihnachtsmärchens glaubhaft zu gestalten.

Beim Umschreiben des Librettos beweist Schreiner mehr Geschick. Klaras hölzernen Nussknacker ersetzt er durch den lebendigen Sohn ihres Patenonkels Droßelmeier. Als Droßelmeiers Gegenspielerin etabliert er Klaras Mutter, die erst nach Umwegen die Abnabelung ihrer Tochter akzeptiert. Diese Interpretation ist gewöhnungsbedürftig, birgt jedoch schräge Reize und neue Perspektiven.

Was man von der Choreografie des Abends nicht behaupten kann. Im ersten Akt dominiert Bewegungstheater mit einer Prise Modern Dance. Das steife Weihnachtsfest der Familie Stahlbaum entspricht der soliden Massenszene einer Oper: organisiertes Gehen, Stehen und Laufen. Erst ab dem Angriff der Mäuse auf Klara wird mehr getanzt. Bedauerlicherweise streicht Schreiner just an diesem Punkt den einzigen emanzipatorischen Akt des Librettos. Während Klara im Original dem Mäusekönig im Kampf beherzt mit ihrem Pantoffel k. o. schlägt, lässt er seine Klara passiv (!) auf den rettenden Droßelmeier Junior warten.

Typen-Scheine

Zumindest wartet sie in veritablem Outfit. Ob Mäuse, Schneeflocken, Butler oder Obergerichtsrat Droßelmeier: Ariane Isabell Unfrieds Kostüme bersten vor Ideen. Bunt, detailreich und liebevoll gefertigt typisieren sie die Figuren, was besonders dem jungen Publikum das Zuordnen erleichtert. Rifail Ajdarpasics getäfelter Salon der Stahlbaums zählt ebenfalls als Plus des Abends. Seine mobilen Bücherboards und die gemütliche Leseecke verwandeln sich organisch in eine märchenhafte Winterlandschaft mit vielen Extras.

Eingebettet in die Märchenwelt präsentiert das Ensemble im zweiten Akt tänzerische Fertigkeiten im Rahmen der berühmten Divertissements. Die Spanier parlieren, die Chinesinnen trippeln und die Araber verbiegen ihre Wirbelsäule. Wobei es eigentümlich anmutet, dass ihr Bewegungsvokabular auch in einer Musicalproduktion funktionieren würde.

Zum Glück erinnert Tschaikowskys famoser Soundtrack, dass wir uns im Ballett befinden. Das Orchester entfaltet sich unter der musikalischen Leitung von Michael Brandstätter wie guter Wein und läuft im finalen Pas de Deux von Klara und Droßelmeier Junior (unterfordert Sebnem Gülseker, Rainer Krenstetter) zur Höchstform auf.