Am letzten Mittag des Festivals stand Jurypräsident Darren Aronofsky, der vor drei Jahren mit "The Wrestler" den Goldenen Löwen gewonnen hatte, entspannt in Turnschuhen am Pool des Hotels Excelsior. Die Entscheidung war schon gefallen, aber noch geheim. So genoss er die angespannten Erwartungen um ihn herum.

Er und seine Jury hatten bei einem überragenden Wettbewerb voller Überraschungen die Qual der Wahl. George Clooney hatte schon zur Eröffnung mit seinem Politdrama "The Ides of March" ein starkes Zeichen in einem herausragenden Wettbewerb gesetzt, der am Ende mit dem Sieg von Alexander Sokurovs "Faust" seinen virtuosen, anstrengenden, anspruchsvollen Höhepunkt erlebte.

Alexander Sokurov komponiert aus Textfragmenten in seinem "Faust" einen anderen Mythos zu einem faszinierenden, aber auch streckenweise ermüdenden Bewusstseinsstrom. Der großartige Steirer Johannes Zeiler verkörpert einen nihilistischen Faust ohne Todesfurcht. Dabei bewegt sich Zeiler wie ein Tänzer in Sokurovs musikalisch fließender Bilder- und Körpersprache scheinbar anstrengungslos und macht die Goethesche Sprache mit sanfter Intensität ohne jedes Pathos ganz unmittelbar erfahrbar. Jury-Präsident Aronofsky begründete die Auszeichnung: "Es gibt Filme, die einen berühren, zum Weinen oder zum Lachen bringen, aber keine, die so wie "Faust" das Leben verändern."

Das Festivalmenü war mit Sexsucht, Sadomasochismus, metaphysischen Ideen, Blut und Gewalt angereichert. Aber auch wenn der Wettbewerb der diesjährigen Mostra inhaltlich lustvoll, visuell und glamourös - mit Stars wie Kate Winslet, Keira Knightley oder Madonna - glänzte, steht ihre Zukunft nach dem Baustopp des neuen Festivalpalastes, dem fehlende Gelder und korrupter Lokalpolitiker zugesetzt haben, in den Sternen.

Marco Müller hatte in seinem überragenden Wettbewerb den geglückten Spagat zwischen subversivem Genre- und radikalem Autorenfilm mit diabolischer Raffinesse auf die Spitze getrieben. George Clooney in seinem Film als demokratischer Präsidentschaftskandidat, der beinahe über die Affäre mit seiner Praktikantin stolperte. Roman Polanski bescherte mit seinem "Gott des Gemetzels" eine bitterböse Schlacht zwischen zwei New Yorker Ehepaaren, die den effektvollen theatralischen Rahmen nicht sprengte. Darin glänzte vor allem der Österreicher Christoph Waltz als zynischer, Smartphone höriger Anwalt.

Blutiges Märchen

Symbolisch war, dass der 76-jährige New Hollywood-Veteran William Friedkin mit seinem bissigen und blutigen Märchen "Killer Joe" gegen den virtuosen "Faust" des philosophischen Russen Alexander Sokurov um den "Goldenen Löwen" antrat. Denn der (oft triebgesteuerte) Wettbewerb war ein Festival der Gegensätze: Würden sich gewitzte Genrevarianten oder eigenwilliger Kunstwille, Sprachlawinen oder Bilderfindungen durchsetzen?

Enttäuschend, dass die Jury den "Goldenen Löwen" nicht an Steve McQueens "Shame" vergab. Das Drama eines Sexsüchtigen war neben Sokurovs "Faust" der visuell kraftvollste Film. Immerhin wurde Michael Fassbender zum besten Darsteller gekürt.

Erfolgreich war der österreichische Dokumentarfilm "Whore's Glory" von Michael Glawogger, der den Jury-Preis der "Orizzonti"-Reihe gewann. Im Vorfeld soll es im Auswahlkomitee des Festivals zu lebhaften Diskussionen über den Film gekommen sein, in dem Glawogger das Leben von Prostituierten in Thailand, Bangladesch und Mexiko in beeindruckend komponierten Bildern zeigt. Die Jury begründete ihre Entscheidung so: "Das älteste Gewerbe der Welt wird zu einem Spiegel des globalen Labyrinths von Sex und Geschäft, das Glawogger mit visueller Eloquenz und Präzision einfängt."