Hysterie, Sadomasochismus, Prostituierte und Nacktheit stimulierten in den zurückliegenden beiden Festivaltagen den Lido. Diven wie Madonna, Odalisken wie Monica Bellucci, Elfen wie Keira Knightley und Regie-Recken wie David Cronenberg und Steven Soderbergh gaben dabei der alten Mostra weiter Schwung.

Philippe Garrels zähes Ehedrama "Un été brulant" dagegen lebte nur davon, dass Monica Bellucci darin als untreue Frau eines phlegmatischen Malers (Louis Garrel) die Hüllen fallen lässt. In der Pressekonferenz schwärmte die schlicht gekleidete Diva davon, sich für das "radikale Universum Garrels hingeben zu wollen". Dass Belluccis Ehemann Vincent Cassel am gleichen Tag in David Cronenbergs "Eine gefährliche Methode" als polygamer Erotomane den protestantischen Psychiater Carl Jung ermunterte, seinen Trieben zu folgen, passte da ins Kinobild.

Für widersprüchliche Reaktionen sorgte der österreichische Dokumentarfilm "Whore's Glory" von Michael Glawogger. Schon im Vorfeld soll es im Auswahlkomitee des Festivals zu lebhaften Diskussionen gekommen sein. Denn Glawogger beschreibt in seinem Triptychon das Leben von Prostituierten in Thailand, Bangladesch und Mexiko in beeindruckend komponierten Bildern als ein faszinierter Beobachter, hart an der Grenze zum Voyeurismus. Aber er überschreitet sie nie dreist. Seine Motivation, der "Respekt vor den Working Girls" (Glawogger) geht soweit, dass er sie in einer Szene auch im intimsten Momenten wie beim Sex mit dem Freier zeigt oder ihren Gebeten und Todeswünschen zuhört. Der voll besetzte Saal bei der Pressevorführung reagierte mit verhaltenem Applaus.

Angst und Panik

Virtuos verknüpft indes Steven Soderbergh in seinem Wettbewerbsfilm "Contagion" die Schicksale der von einem tödlichen Virus befallenen Menschen auf der ganzen Welt zu einem Schreckensszenario. Dass die Wissenschaftler alles daran setzen müssen, um eine verheerende Pandemie zu vermeiden, war schon oft Thema apokalyptischer Hollywood-Schocker. Soderbergh aber gelingt in seinem Ensemblefilm ähnlich wie in "Traffic", jede einzelne Figur und ihre individuelle Angst und Panik lebendig zu machen und dabei die Unterschiede auch im Mainstream-Thriller zu betonen.

Gwyneth Paltrow spielt darin die Frau Matt Damons, die nach einer Asienreise das erste amerikanische Opfer der Seuche wird. Kate Winslet verkörpert eine couragierte infizierte Medizinerin, die den Virus erforschen will und sich dabei ebenfalls infiziert.

Dabei läuft Winslet, die bei Polanskis "Gott des Gemetzels" als Brokerin auf einen Kokoschka-Band kotzte und in Todd Haynes Mini-Serie für HBO "Mildred Pierce" allen Schicksalsschlägen trotzte, auch bei Soderbergh zu intensiver Hochform auf. Zu ihrer Omnipräsenz auf dem Lido sagte sie daher: "An nur drei Tagen stelle ich in Venedig das vor, woran ich 16 Monate gearbeitet habe!" So wurde nicht die Diva Madonna sondern mit Kate Winslet der Anti-Star zur bisher beliebtesten Schauspielerin des Wettbewerbs.

Nach fünf Tagen gibt es nach Clooney und Polanski mit Steven Soderbergh einen weiteren Kandidaten für den Goldenen Löwen.

Rauchen verboten

Auch wenn die Regisseure am Lido traditionell vergöttert werden, manche Dinge sind selbst ihnen nicht erlaubt. Als Chantal Akerman, die außerhalb der Konkurrenz bei den Filmfestspielen Venedig ihren neuen Film "La Folie Almayer" vorstellte, und sich bei der Pressekonferenz zuerst einmal eine Zigarette anzündete, wurde ihre diese gleich sanft, aber bestimmt aus der Hand genommen. Rauchen am Podium ist auch in Venedig nicht erwünscht. Der belgischen Filmemacherin ist übrigens bei der heurigen Viennale die Retrospektive gewidmet.

Ganz offenbar kommt es aber auch hier darauf an wer rauchen will: Noch vor ein paar Jahren verheizte die französische Diva Catherine Deneuve während ihrer Presskonferenz eine halbe Packung Zigaretten.