Wenn man großartige Songs im Gepäck hat, von einer spielfreudigen Band unterstützt wird und sich darüber hinaus als lebende Legende von nichts aus der Ruhe bringen lässt, kann selbst eine hartnäckige Verkühlung einem gelungenem Konzertabend nichts anhaben. Das bewies am gestrigen Montag die US-Punk-Ikone Patti Smith, die mit ihrer vierköpfigen Band im Rahmen von "Burg in Concert" das Wiener Burgtheater beschallen durfte. Wütende Protestsongs in Reinkultur wechselten sich da mit gefühlvolleren Nummern sowie charmanten Ansagen einer großen Entertainerin ab und entließen ein glückliches Publikum in die Nacht.

Obgleich Smith auf ihren Gesundheitszustand gleich zu Beginn des Auftritts aufmerksam machte, war davon zunächst nur wenig zu bemerken. Den melancholischen Einstieg markierte "Grateful", das sie ihrem Freund Christoph Schlingensief widmete. Der Theatermacher, der im vergangenen Jahr verstorben ist, hatte sie zum ersten Mal ins Haus am Ring gebracht. Auch das folgende, beschwingt groovende "Redondo Beach" oder das wütende, immer expliziter politisch werdende "Birdland" - sympathisch uneitel mit Textblatt und Lesebrille dargeboten - präsentierte die Sängerin kraftvoll und energisch.

Wer ob der Ankündigung eines Akustik-Gigs fürchtete, die 64-Jährige würde eher zurückhaltend agieren und ihre schnelleren Songs im Köcher stecken lassen, der irrte gewaltig: Gerade das grandiose "Dancing Barefoot" bewies, dass es sich auch zur akustischen Klampfe und mit Jazz-Besen am Schlagzeug ordentlich rocken lässt. Verspielt und keck stemmte Smith dabei immer wieder die Hände in die Hüften und ließ dieselben kreisen. Sichtlich gut gelaunt ging sie auf das Publikum ein, wanderte zwischen den Reihen, erzählte von einem nachmittäglichen Besuch bei einem "sehr netten Wiener Arzt" und entschuldigte sich dafür, "nicht wie Maria Callas zu klingen".

Die Bundeshauptstadt wurde sowieso des öfteren aufs Tapet gebracht. So improvisierte Smith zu Beginn von "My Blakean Year" über Wittgenstein, die Ermordung Moritz Schlicks in der Uni Wien und über die großen Komponisten, die hier begraben sind - "außer Jimi Hendrix". Danach gab es mit "Beneath the Southern Cross" wieder heftigere Töne, allen voran Drummer Jay Dee Daugherty durfte sich hier ordentlich ausleben. Stimmliche Probleme wurden gekonnt überspielt, neu anzustimmende Songs zum komödiantischen Schlagabtausch mit ihren Kollegen und zwischendurch einfach kurz gegurgelt.

Als Abschluss gab es das obligatorische "Because The Night": Der Song, den Smith zusammen mit Bruce Springsteen geschrieben hat, ist wohl ihr bekanntestes Stück, wenngleich das darauffolgende Doppel aus dem sich ständig steigernden "Pissing In A River" und "Gloria", das das Publikum im Burgtheater schlussendlich von den Sitzen reißen sollte, kaum weniger frenetisch gefeiert wurde. Als leider einzige Zugabe und am Ende eines nach etwas mehr als eineinhalb Stunden für viele deutlich zu kurzen Auftritts führte das politische "Rock'n'Roll Nigger" erneut vor Augen, warum diese Frau für so viele Musiker als wesentliche Inspiration gilt und auch heute noch was Authentizität, Kraft und Gespür für gesellschaftspolitische Themen betrifft, alleine auf weiter Flur steht. Ein großer Abend mit einer sympathisch zugänglichen Smith, der man in dieser Form etliche kreative Jahre auf und abseits der Bühne nur wünschen kann.