D er "stern" schrieb über Sie: "Der Ideal-Tenor. Er ist sexy wie Brad Pitt, hat Locken wie Antonio Banderas, kann spielen wie George Clooney und singen wie sonst keiner." Wie gefällt Ihnen das?

JONAS KAUFMANN: Da fällt mir nur ein Wort ein: schmeichelhaft.

Sie singen Wagner ebenso wie französisches und italienisches Repertoire. Schon gibt es Stimmen wie: "Hoffentlich passiert ihm nicht eines Tages mit der Karriere dasselbe wie dem eben tragisch verstorbenen Peter Hofmann!" Haben Sie je solche Ängste gehabt?

KAUFMANN: Wenn man gewisse Entscheidungen trifft, kann man nie ausschließen, dass man strauchelt. Da muss man notfalls schnell den Stecker ziehen. Letztlich ist man ja nur seiner Stimme verpflichtet. Ein Plácido Domingo etwa hat das immer geschafft. Mein bisheriger Erfolg war die Kombi. Sie hat mich frisch gehalten. Würde ich mich nur auf das eine konzentrieren, würde ich Gefahr laufen, Möglichkeiten, Farben, Flexibilität zu verlieren.

Sie gelten ja, was Wagner betrifft, als Gegenteil dessen, was George Bernard Shaw als "Bayreuther Gebell" bezeichnete?

KAUFMANN: Wagner wollte ja seine Partien auf der Basis des klassischen Belcanto gesungen haben. Wagner zu "schreien", ist absolut falsch. Sein Ideal war die Verbindung zwischen "deutscher" Ausdruckstiefe und italienischer Gesangskultur.

Wie schützt man seine Stimme?

KAUFMANN: Man kann die Karriere durch eigenes Zutun gestalten. Das heißt, durch langsame Entwicklung. Ich bin stets bemüht, auf die Bremse zu treten. Das zahlt sich aus. Reichhaltiger Erfahrungsschatz ist wichtiger, als jedem Hype zu folgen, sich mit jeder neuen Chance zu infizieren.

Ihr aktuelles Album betitelt sich "Verismo Arias".

KAUFMANN: Es ist eine Sammlung ohne Verdi und ohne Puccini, dem Begründer des Verismo. Ich wollte zeigen, dass es da ein paar bedeutende Zeitgenossen mehr gab: Ruggero Leoncavallos "La Bohème" etwa oder Riccardo Zandonais, dessen unbekannter Monolog aus "Giuiletta e Romeo" ein Stück ist, das ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Es hat mir großes Vergnügen gemacht, dieses Emotionspaket zu schnüren. Da kann man beim Singen nichts fingieren und sich einfach durchlavieren. Wer das versucht, ist tot. Die Seele muss mit Gefühlen gefüttert sein, die Arien gehen dann ganz schön ans Gemüt. Gelingt einem das, fällt man in ein gemachtes Bett.

Neben diesem Album gibt es Ihren Pariser "Werther" von Jules Massenet auf DVD.

KAUFMANN: In Paris habe ich mich dieser Partie zum allerersten Mal genähert. Eine riskante Geschichte, in der Höhle des Löwen, der Opéra Bastille - mit lauter Franzosen rundherum. Regisseur war der vom Film kommende Benoit Jacquot. Diese Wankelmütigkeit Werthers mit Schwärmen und Träumen und das Gleiten in die Depression in französischer Sprache - gar nicht so einfach. Aber letztlich hat es mir unendlich gefallen, wir haben das richtig zelebriert. Das war eine phänomenale Sache, und beim Tod am Schluss hat es auch mich selbst ordentlich geschaudert.