"Die schlechteste Opern-Aufführung, die ich je erlebt habe" oder "die altmodischste Inszenierung aller Zeiten" - Publikums-Zitate wie diese waren gestern, Mittwochabend nach der Premiere von "Fierrabras" bei den Salzburger Festspielen zu hören. Tatsächlich ist die erste Oper von Franz Schubert in der Geschichte der Salzburger Festspiele stocksteifes, statisches Musiktheater aus der "Stein"-Zeit.

Regisseur des Salzburger "Fierrabras" ist Peter Stein. Und Nomen est Omen. Über weite Strecken dieses dreieinhalb Stunden langen Kriegsspiels mit Liebeleien hat der konservative Regie-Altmeister entsetzlich gelangweilt. Zugleich aber wurde der "Fierrabras" im Haus für Mozart mit dem längsten und engagiertesten Opern-Applaus des Festspielsommers 2014 bedacht. Denn am Ende hat Stein die Kurve mit Ironie und Augenzwinkern noch halbwegs gekriegt. Man schluckte die Krot, schmunzelte und grinste viel. Richtig ernst genommen hat diese Kriegerromanze mit Doppelhochzeit am Ende wohl niemand. Aber man amüsierte sich doch. Jedenfalls konnte von einem Buh-Konzert für Peter Stein keine Rede sein, obwohl der Regisseur alle Regeln von einigermaßen zeitgemäßer Opernregie außer Acht gelassen hat.

Auf der Bühne bewegt sich nichts. Abziehbilder von Menschen stehen in weißen und schwarzen Kostümen (die guten Christen und die bösen Mauren) unschlüssig herum. Die einen tragen Palmwedeln zum Zeichen des Friedens, die anderen schauen grimmig drein. Man schreitet, fleht und droht mit Schwert, alles schön aufgefädelt und sauber getrennt in Reih und Glied. Das Bühnenbild besteht aus schwarz und weiß bemalten Vorhängen - Burgen, Berge und Säle in kindisch-falscher Perspektive. Scherenschnitte wie aus einem aufklappbaren Kinderbuch. Stein hat seine bedrohliche Ankündigung, nur "Kostüme mit Dekoration" anzubieten, tatsächlich wahr gemacht. Der Salzburger "Fierrabras" ist eine halbseidene Lachnummer. Einerseits.

Andererseits passt Steins Konzept zur nicht weniger hölzernen, heldenhaft-dämlichen Geschichte von Josef Kupelwieser. Der hat sich nicht - wie zur Entstehungszeit zwingend üblich - am "Fidelio" oder am "Freischütz" orientiert und um stilistische (und nationale) Eigenständigkeit bemüht, sondern einen rückwärtsgewandten Stoff aus der Mottenkiste altfranzösischer Epen gekramt. Abgefasst in einem Text, den auch Stein zu Recht als "grauenvoll" bezeichnet hat. Dieses "Fierrabras"-Libretto hätte vielleicht zu Händel gepasst oder Rameau. Aber schon 1823 hat dieser historisierende Heldenkram keinen Menschen mehr interessiert. Folgerichtig sollte das Stück erst lange nach Schuberts Tod im Jahr 1887 uraufgeführt werden. Und tut sich - aus gutem Grund - heute noch schwer.

In dieser Oper kommen keine Menschen, sondern nur Stereotype vor. Freundschaften, Hass und Liebe sind hülsenartig. Und die Versöhnung am Ende erst recht. Nur einer der Konflikte wirkt zeitlos und vertraut: König Karl will Frieden. Aber nur, wenn der Maurenkönig Christ zu werden bereit ist. Na super. Und der wiederum denkt trotzig und borniert nur ans Schlachten aus Rache - die Gegenwart lässt grüßen. Was also tun mit dieser Oper, die eigentlich entsorgt gehörte, aber vom großen Schubert in Töne gesetzt wurde?

Vielleicht bleibt nur zweierlei: Erstens, eine konzertante Aufführung mit Schuberts liedhaften, entzückend-lyrischen Gustostückerln. Weg mit dem hölzernen Drama und einfach musikalischen Biedermeier zum Genießen. Zweitens: Dieses Klischee von einer Oper ebenso klischeehaft bebildern. Mit einer gefährlichen Mischung aus ver-Stein-ertem Fügen ins Unvermeidbare der Partitur sowie dem Versuch von Ironie. Inklusive knallrotem Riesenherz mit Pfeil als Schlussbild. Diesen zweiten Weg hat Stein gewählt, und das Publikum ist ihm mehrheitlich gefolgt.

Die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor unter Ingo Metzmacher spielten die rührenden, schlichten Lieder und die ein wenig aufgesetzte Dramatik dieser Schubert-Oper ganz normal, sauber und korrekt. Dienst nach Vorschrift, aber ok. Die Sänger leisteten ebenso ordentliche Arbeit. Georg Zeppenfeld gab den "König Karl" mit seriösem Bass, und Dorothea Röschmann begeisterte als "Florinda" ebenso wie Tenor Benjamin Bernheim als "Eginhard". Diese drei Stimmen waren die interessantesten der Aufführung. Julia Kleiter als "Emma", Michael Schade als "Fierrabras", Markus Werba als "Roland" sowie Marie-Claude Chappuis und Peter Kalman in den kleineren Partien von "Maragond" und "Boland" passten ebenfalls ins (Klang)-Bild einer Opernproduktion der Salzburger Festspiele. Aber inhaltlich und ästhetisch war dieser "Fierrabras" zweifellos die eigenartigste Premiere des Opernsommers 2014.

( S E R V I C E - "Fierrabras", heroisch-romantische Oper in drei Akten von Franz Schubert. Libretto von Josef Kupelwieser nach einem altfranzösischen Heldenepos. Regie: Peter Stein, Bühne Ferdinand Wögerbauer, Kostüme Annamaria Heinreich. Es musizierten die Wiener Philharmoniker, Bühnenmusiker der Angelika Prokopp-Sommerakademie sowie die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor unter der musikalischen Leitung von Ingo Metzmacher. Die Solisten: Georg Zeppenfeld als König Karl, Dorothea Röschmann als Florinda, Benjamin Bernheim als Eginhard, Julia Kleiter als Emma, Michael Schade als Fierrabras, Markus Werba als Roland, Marie-Claude Chappuis als Maragond, Peter Kalman als Boland, Manuel Walser als Brutamonte und Franz Gruber als Ogier. Die weiteren Termine: 16., 19., 22., 25. und 27. August. http://www.salzburgfestival.at.)