260 Jahre nach der Uraufführung im Schloss Fontainebleau bei Paris und im 250. Todesjahr des Komponisten Jean-Philippe Rameau erlebte dessen Operneinakter "Anacreon" bei den diesjährigen Donaufestwochen in Grein die österreichische Erstaufführung. Zusammen mit einem weiteren Einakter Rameaus, "Pigmalion", verlief die Premiere Samstagabend im Schlosshof der Greinburg überaus erfolgreich.

Intendantin und Dirigentin Michi Gaigg am Pult des L'Orfeo Orchesters konnte mit dem Opern-Doppelpack den Donaufestwochen in der 20. Saison eine weitere Bühnenraritäten anfügen. Spielt man im Sommer andernorts Opern- und Operettenklassiker, so nimmt man sich in Grein der selten zu hörenden Bühnenwerke des 17. und 18. Jahrhunderts an.

In "Anacreon" sorgt der Titelheld mit seinen Liebesgedichten für ein Verwirrspiel: Er gibt vor, seinen Schützling Chloe heiraten zu wollen. Diese liebt jedoch den jüngeren Batile. Schlussendlich führt aber Anacreon die jungen Liebenden zusammen. Heutzutage bekannter ist der Inhalt von "Pigmalion": Der Künstler verliebt sich unsterblich in die von ihm geschaffene weibliche Statue. Die Göttin Cephise erbarmt sich seiner und haucht dem Marmor Leben ein; die Liebe nimmt ihren Lauf.

Beide Kurzopern schmückt Jean-Philippe Rameau mit seinem hinlänglich bekannten Melodienreichtum und der farbenprächtigen Instrumentierung. Rezitative und kurze Arien wechseln mit orchestralen Zwischenspielen, in denen Tanzrhythmen vorherrschen. Nach den Vorgaben des Komponisten interpretieren dabei Tänzerinnen die Gefühlswelt der handelnden Personen. Anspruchsvoll sind auch die stimmlichen Anforderungen an die Solisten: Innigkeit und Virtuosität, Glück und Trauer gilt es nach Rameaus Vorgaben umzusetzen.

Bei beiden Opern kann das L'Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg seine bekannten Qualitäten in Fülle ausspielen, verfügt das Orchester doch in seinen Reihen über hervorragende Solisten. Als wahre Spezialisten für Barockopern erweisen sich die Gangssolisten: bezaubernd in Erscheinung und Stimme die Sopranistin Soetkin Elbers (Cephise, Chloe), mit hellem auch virtuos eingesetztem Tenor und großer Spielfreude David Munderloh (Pigmalion, Batile), Bariton Markus Volpert als listiger Anacreon und Annastina Malm (Sopran) als Pigmalions lebendig gewordenes Liebesglück. In den von Rose Breuss choreografierten Tanzszenen liefern Nadine Horvath (in Anacron) sowie Bozhidara Boyadzhieva, Eszter Petrany und Jerca Roznik Novak (in Pigmalion) eindrucksvolle Körperstudien zum Inhalt der Opern.

Regisseurin Manuela Kloibmüller hat bereits Erfahrung mit der Freiluftbühne im Greiner Schlosshof und führt die Akteure überzeugend durch ihre Gefühlswelten. Sparsam und praktikabel gestaltete Isabella Reder die Bühne, von ihr stammen auch die schlichten aber hübschen Kostüme.

Aber nicht nur live ehrt das L'Orfeo Barockorchester heuer den Jahresjubilar. So hat das Orchester unter Gaigg in den vergangenen Jahren zwei Einspielungen mit Werken des Komponisten veröffentlicht. Die aus 2008 stammende CD, die neben Jean-Fery Rebels "Les Elemens" auch die Suite aus Rameaus wohl berühmtestem Bühnenwerk "Castor et Pollux" enthält, ist nun wieder aufgelegt worden. Ebenfalls erhältlich ist noch die aus 2011 stammende Einspielung mit den zwei Orchestersuiten "Zais" und "Hippolyte et Aricie". Die aus den musiktheatralen Arbeiten des Tonsetzer herausdestillierten Stücke zeigen in der frischen Interpretation die Meisterschaft der Instrumentierung Rameaus, die weit über bloße Zwischenspiele hinausreicht und den Kompositionen als eigenständigen Werken ihre Berechtigung lässt.

(S E R V I C E: "Anacreon Ballet heroique" in einem Akt (ÖEA), "Pigmalion Acte de ballet", Premiere bei den donauFESTWOCHEN im Strudengau auf Schloss Greinburg. Es musizierte das L'Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg. Regie: Manuela Kloibmüller, Bühne und Kostüme: Isabella Reder. Die Sänger: Soetkin Elbers, Sopran; Annastina Malm, Mezzosopran; David Munderloh, Haute-contre; Markus Volpert, Bass. Tanz: Nadine Horváth (Anacreon), Bozhidara Boyadzhieva, Eszter Petrany, Jerca Roznik Novak (Pigmalion), Choreografie: Rose Breuss. Die weiteren Termine: 3., 8., 9. und 10. August. http://www.donau-festwochen.at)