Wir sind irritiert! Obwohl Sie für Ihr Experiment in die 70er zurückkehren, tragen Sie weder Stirnband noch Glockenhosen.

ROLAND DÜRINGER: Das haben einige Journalisten missverstanden. Rückkehr in die 70er heißt vielmehr: kein Fernseher, kein Supermarkt, kein Handy, keine Kreditkarte. All das haben wir damals nicht gehabt, und es ist uns trotzdem gut gegangen.

Ihr Selbstversuch, wie Sie es nennen, ist eine Suche nach dem "guten Leben", was nicht mit einem "glücklichen Leben" zu verwechseln sei. Was ist der Unterschied?

DÜRINGER: Glück ist etwas, das man hat. Manchmal erwartet man sich von anderen Menschen, dass sie uns glücklich machen - was besonders dumm ist. Ein gutes Leben hingegen ist nicht immer nur glücklich. Es beinhaltet auch Unglück und Leid. Aber daraus entstehen wiederum Kreativität und Veränderung. Das ist wie mit einem Ort, an dem immer die Sonne scheint. Worauf soll man sich dort freuen? Auf den Sonnenschein? In einem guten Leben halten sich Glück und Unglück die Waage.

Die Reaktionen auf Ihr Experiment lauteten oft so: Der Düringer ist ausgestiegen.

DÜRINGER: Die Menschen müssen ja dem, was ich gemacht habe, irgendeinen Namen geben. Und da ist es am einfachsten, zu sagen: Aha, der Düringer hat kein Handy mehr, keine Mailadresse, er fährt mit dem Zug und der Straßenbahn, der Düringer, der Narrische, ist ausgestiegen.

Sie sind also nicht aus-, sondern umgestiegen.

DÜRINGER: Ja, ich bin einen Schritt zurückgegangen. Ich habe Werkzeuge, die heute ganz normal für uns sind, weggelassen und geschaut, was mit mir passiert. Deshalb weggelassen, weil ich gemerkt habe, dass diese Dinge uns, mich sehr belasten. Pausenlos drücken wir am Handy herum, pausenlos stecken wir im Stau, pausenlos flimmert etwas über den Bildschirm. Aber das Ganze ist ein Versuch. Ich hab zum Beispiel gemerkt, dass ich manchmal ein Auto brauche. Hierher nach Berndorf mit dem Zug zu fahren wäre Unsinn gewesen. Mit dem Auto fahr ich nur über einen Berg. Wenn ich versuche, auf den Händen zu gehen, heißt das ja nicht, dass ich mir gleich die Füße abhacken muss. Vielleicht habe ich auch irgendwann wieder ein Mobiltelefon. Aber die Nummer bekommen dann sicher nur sehr wenige Menschen. Ich sage auch nicht, dass all diese Dinge - Handy, Fernsehen, Konsum - schlecht sind. Ich lote nur den Punkt aus, ab dem diese Dinge von uns Besitz ergreifen.

Kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitungen. Wie nehmen Sie am öffentlichen Leben teil?

DÜRINGER: Das Wichtigste erzählen mir ja die Leute. Nehmen wir zum Beispiel die Katastrophe auf den Philippinen. Das ist schrecklich, klar. Aber in Wahrheit betrifft es mein Leben nicht unmittelbar. Und all die Bilder, die jetzt über die Bildschirme flimmern, sind in Wahrheit nur Unterhaltung. Ändern diese Bilder etwas? Nein! Seit ich ein Kind bin, laufen Bilder über verhungernde Kinder in Afrika im Fernsehen. Und die Kinder verhungern noch immer.

Wie hat Ihre Familie auf Ihr Experiment reagiert?

DÜRINGER: Meine Frau zum Beispiel ist da viel weiter als ich. Sie kommt sehr gut mit sehr wenig aus. Sie ist ein Paradebeispiel.

Was war der Auslöser für Ihr "Simplify Your Life"-Projekt?

DÜRINGER: Der liegt schon länger zurück. Das war Ende der 90er-Jahre: Ich habe damals "Kaisermühlen" gespielt, die "MA 2412" hat gerade angefangen, "Hinterholz 8" war der erfolgreichste österreichische Kinofilm aller Zeiten, und in der Wiener Stadthalle war ich zweimal ausverkauft. Es war also ein irrsinniger Rummel um mich, und ich hab irrsinnig viel Geld verdient. Und gleichzeitig habe ich gemerkt, dass es mir immer schlechter geht. Mein Körper hat aufgejault, meine Stimme war kaputt. Da habe ich mir gedacht: Das kann's ja nicht sein, da muss ich etwas ändern. Es hat damit begonnen, dass ich mein Programm geändert habe. Von den "Benzinbrüdern" zur "Viertelliterklasse", das war ja eine Riesenumstellung. Damit hat der Weg begonnen. .

Ein kritischer Mensch wie Sie wollte in die Politik gehen.

DÜRINGER: Nein. Ich nehme die Politik nicht so ernst, wie sie uns dargestellt wird. Was ist Politik? Da werden die Wähler mit Versprechen, die nicht eingehalten werden können, bestochen.

Das Buch zu Ihrem Projekt heißt "Leb wohl, Schlaraffenland". Wie schaut Ihr ganz persönliches Schlaraffenland aus?

DÜRINGER: Ich lebe lieber im Paradies als im Schlaraffenland. Und für mich bedeutet Paradies, wenn ich eigenverantwortlich sein darf, wenn ich Daseinsmächtigkeit haben darf. Das sind paradiesische Zustände. Und ich bin durch meinen Beruf eh nahe dran an diesem Zustand, und dafür bin ich auch dankbar.