Der Weg zu George Yioukakis' Arbeitsplatz ist ziemlich kompliziert. Er führt durch ein Labyrinth aus leeren, langen Gängen in einem riesigen Bürogebäude im Athener Vorort Agia Paraskevi. Ruhig ist es hier, fast unheimlich ruhig.

Außer Betrieb

Es ist die Ruhe nach dem Sturm. Der brach am 11. Juni los, ganz überraschend für die 2650 Angestellten. Kurz nach dem Beschluss der Regierung, ERT zu schließen, wurde der letzte Satz der Moderatorin im TV übertragen: "Liebe Zuseher, die Polizei setzt gerade unsere Sendeanlage außer Betrieb." Dann nichts mehr. Alle Bildschirme schwarz. Bei den Mitarbeitern Bestürzung, Trauer, Wut.

Der Platz vor dem ERT-Gebäude glich innerhalb kürzester Zeit einem Menschenmeer. Tausende waren gekommen, um gegen die Schließung zu protestieren. Vier Monate ist das jetzt her, doch erstaunlicherweise senden George Yioukakis und viele andere seiner Kollegen noch immer. "Von der ersten Sekunde an war klar: entweder die oder wir. Wir wollten weitermachen, um jeden Preis."

Der Preis in diesem Fall ist groß. Denn die Rundfunkmitarbeiter formieren sich öffentlich gegen die Regierung und senden seit Monaten illegal.

Piraterie, sagen die einen. Es geht um die Forderung nach Gerechtigkeit, sagen die anderen. Noch nie zuvor, weltweit, hatte eine Regierung beschlossen, den öffentlich-rechtlichen Sender einfach abzudrehen. "Ein historischer Moment", sagt George. Lange zieht er an seiner Zigarette und dann sagt er: "Es ist wie ein Krieg, Vendetta. Wir kämpfen gegen eine aufkommende Diktatur. Es gibt keine Regeln mehr für unsere Regierung. Sie tun, was immer ihnen gerade in den Sinn kommt."

Der neue Sender Nerit, der im Herbst von rund 2000 neuen Mitarbeitern geführt werden soll, ist noch immer in Planung. Und die vielen Journalisten, Moderatoren und Techniker, die nach wie vor tagtäglich aus Protest und Überzeugung arbeiten gehen, leben in ständiger Ungewissheit, berichtet George: "Es war meine Entscheidung. Ich erwarte nicht, für das, was ich tue, bezahlt zu werden. Aber natürlich ist es eine schwierige Situation. Meine Frau und ich, wir haben beide bei ERT gearbeitet. Und wir arbeiten noch immer, seit vier Monaten ohne Einkommen."

Feiern und Weinen

Wie das funktioniert? George lacht nur und zündet sich eine neue Zigarette an. "Es muss. Die Unterstützung der Menschen da draußen trägt uns, macht uns Mut." Im September fand ein großes Solidaritätskonzert vor dem ERT-Gebäude in Athen statt. Die größten Musiker Griechenlands spielten eine ganze Nacht lang und Tausende Unterstützer waren gekommen. Senioren, Studenten, Kinder - alle feierten und weinten gemeinsam. Und George? "Diese Nacht hat uns gezeigt, dass wir nicht alleine kämpfen. Und eigentlich merke ich die Unterstützung nach jeder Sendung, die ausgestrahlt wird. Früher bekam ich etwa zehn Nachrichten von Hörern, heute sind es 50 bis 60." Und noch etwas Gutes kann er der jetzigen Situation abgewinnen: "Mir sagt niemand mehr, was ich zu senden habe, ich tue und sende, was ich will. Und unsere Mikrofone und Kameras sind jetzt offen für jeden, der etwas zu sagen hat."

George kämpft, um zu gewinnen, wie er sagt. Gewinnen? "Ein Neuanfang wäre gut. Ein Neuanfang für ERT. Und ein Neuanfang für Griechenland."

Dieser Bericht ist im Rahmen von "eurotours 2013" entstanden - ein Projekt der Europapartnerschaft, finanziert aus Gemeinschaftsmitteln der Europäischen Union.