H err Wrabetz, die Puls 4-Quoten mit der Champions League: Sind das für einen Fernsehmacher nicht neunhunderttausend Stiche ins Herz?

ALEXANDER WRABETZ: Wir haben fast alle bedeutenden Sportrechte. In Zeiten, wo Privatsender sich mit sehr viel Geld auch um solche Rechte bemühen, muss man damit leben, dass bestimmte Ereignisse auch im Privat-TV laufen. Es ist aber interessant zu beobachten, dass jene, die dem ORF vorwerfen, zu viel Geld für Sport auszugeben, die gleichen sind, die dann Krokodilstränen wegen der Champions League vergießen.

Auch wenn es wahrscheinlicher ist, österreichische Mannschaften in der Europa-League spielen zu sehen: Es hat doch den Ruch von Trostpreis, wenn man im ORF den SV Ried gegen Legia Warschau spielen sieht statt Barca gegen Bayern München.

WRABETZ: Sie vergleichen jetzt ein Qualifikationsspiel gegen ein Halbfinale. Aber natürlich sind die Paarungen in der Champions League generell attraktiver als in der Euro League, das sollte durch österreichische Beteiligung kompensiert werden. Insofern sind unsere Überlegungen vom Erfolg der österreichischen Mannschaften in der Europa League abhängig.

Aber bereitet es Ihnen kein Kopfzerbrechen, wenn Sie daran denken, es könnte nächste Saison kein heimischer Verein den Einzug in die Gruppenphase der Europa League schaffen und der ORF muss dann so Kracher wie Freiburg - Udinese übertragen?

WRABETZ: Nein, ich bin sehr zuversichtlich, dass sich österreichische Teams für die Gruppenphase der Euro League qualifizieren werden. Die Empirie spricht stark dafür.

Europa-League-Rechte gegen Champions-League-Rechte: Haben Sie manchmal das Gefühl, egal was der ORF macht, es ist immer das falsche?

WRABETZ: Nein. In der auslaufenden Saison hat sich kein österreichisches Team für die Champions League qualifiziert, für die Euro League jedoch schon. Insofern war unsere Überlegung schlüssig. Und das Optimale, eine Best-of-Kombination von Champions League und Europa League, war bei der UEFA trotz Angebot unsererseits nicht zu bekommen.

Momentan scheint es als, wäre im ORF wirklich nur noch der Skisport sakrosankt. Ihr Finanzdirektor Richard Grasl dachte ja unlängst unter anderem in der Kleinen Zeitung laut über ein Ende des Formel 1-Vertrags nach. Was sagen Sie zu seinen Überlegungen?

WRABETZ: Wir haben das umfassendste Sport-Angebot von allen Anbietern. Wir haben die Olympischen Spiele bis 2016, fast alle Qualifikations- und sonstigen Spiele der Nationalmannschaft bis 2018, die Bundesliga, Ski-Bewerbe nordisch und alpin und die Fussball-WMs bis 2022. Insofern werden wir in jedem Fall der führende Anbieter für die Lieblingssportarten der Österreicher bleiben. Und wir bieten dem österreichischen Publikum bis 2016 jedenfalls auch die Formel 1, die derzeit aufgrund starker österreichischer Beteiligung besonders attraktiv ist.

Ginge es überhaupt, vorzeitig aus dem bis 2016 laufenden Formel 1-Vertrag auszusteigen?

WRABETZ: Nein, das steht auch gar nicht zur Debatte.

Weshalb wird eher darüber spekuliert, die Formel 1 dem Sparstift zu opfern und nicht die immerhin 36 Live-Spiele der Fußball-Bundesliga? Die Quoten sind ähnlich, wenn nicht sogar bei der Formel 1 etwas besser?

WRABETZ: Wir sind sehr froh, dass wir den Bundesliga-Vertrag auch für die nächsten Jahre gesichert haben, weil österreichischer Fußball ein wichtiges Standbein und von großer Relevanz ist.

Nächstes Jahr gibt's Olympische Winterspiele und die nächste Fußball-WM. Was lassen Sie eher ausfallen, wenn Ihnen 2014 die 40 Millionen Euro Gebührenrefundierung entgehen?

WRABETZ: Keines von beiden, das sind zwei absolute Top-Highlights, um die uns die meisten TV-Sender der Welt beneiden. Die nötigen Einsparungen werden wir in anderen Bereichen einbringen.

Ganz ehrlich: Entfällt die Gebührenrefundierung ab 2014, dient die Drohung mit dem Aus für Fußball- oder Formel 1-Übertragungen doch auch der Alarmierung der Sportfans? Motto: Ohne Geld ka Musi, und schuld ist die Regierung.

WRABETZ: Wir haben 2014 fast alle großen Sportrechte, daher drohen wir auch nicht.

Will sich vor der Wahl einfach keine Partei mit der heiklen Refundierungsfrage anpatzen?

WRABETZ: Ich denke nicht, dass sich mit dem Eintreten für eine solide und faire Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jemand "anpatzt", im Gegenteil. Es geht hier um die Sicherung des Medien-, Content- und Kreativ-Standorts Österreich.

Bisher sagten Sie immer: Egal, wie viel gespart werden muss, es gibt keine Programm-Einbußen. Ist das zu halten, wenn dem ORF das nächste Sparpaket droht?

WRABETZ: Das habe ich nie gesagt - letztlich ist alles was wir tun, Programm bzw. ganz eng vom Programm abgeleitet. Wo auch immer wir sparen, geht es letztlich zulasten des Programms.

Aber der APA sagten Sie doch jüngst, Sie würden bei Entfall der Refundierung so vorgehen, das Programmleistung und Kernaufträge von Einsparungen nicht betroffen sind. Wenn nun doch am Programm gespart wird: Wen trifft es? Eigenproduzierte Filme? Kultur? Nachrichten?

WRABETZ: Das Sparpaket wird Anfang Juni festgelegt. Bis dahin werden wir keine Einzelmaßnahmen kommunizieren. Die Kernaufträge werden weiter erfüllt, aber in allen Bereichen muss gespart werden.

Kann man sagen: ORF eins braucht die Sportübertragungen wie einen Bissen Brot, um nicht wie im April unter 10 Prozent Marktanteil zu rutschen?

WRABETZ: Ein großer Teil des Publikums liebt die großen Sportereignisse. Sport ist eine der Säulen des Erfolgs von ORF eins. Auch wenn es schwieriger wird, soll es auch in Zukunft 90 Prozent der Top-Sportevents in Topqualität bei uns geben.

ORF III hat sich mit bis zu 400.000 täglichen Sehern offenbar sehr gut entwickelt. Bei ORF Sport+ scheint es weniger Anlass zum Jubel geben. Wo hakt es da?

WRABETZ: ORF III entwickelt sich tatsächlich sensationell, darüber bin ich sehr glücklich. Und einige Programm-Bestandteile von Sport+ haben eine kleinere Zielgruppe als jene von ORF III. Ganz bewusst, es ist ein Spartenkanal, der spezielle Interessen und Aspekte im österreichischen Sport abdeckt.

Viele Gebührenzahler wundern sich noch immer, weshalb der ORF mit Sportübertragungen nicht öfter ORF Sport+ bespielt.

WRABETZ: Es ist uns per Gesetz verboten, sogenannten "Premium-Sport" auf Sport+ zu zeigen - also vereinfacht gesagt alles, was über absolutes Nischenpublikum hinausgeht. Sehr zum Schaden des Sports, denn Sportarten, die für ORF eins nicht "breit" genug sind, aber trotzdem unter den Begriff Premium Sport fallen, wie Eishockey oder Tennis, kommen dann im Fernsehen gar nicht mehr vor.

Und warum darf dieser so genannte Premium Sport nicht auf ORF Sport+ gezeigt werden? Weil die Verbreitung des Senders zu gering ist?

WRABETZ: Weil das die deutschen Werbefenster und Privatsender so in das Gesetz hineinlobbyiert haben.

Ist es nicht überzogen zu insinuieren, dass sich der Gesetzgeber von den Privatsendern hineinregieren lässt?

WRABETZ: Natürlich ist der Gesetzgeber hier den Wünschen der Privatsender gefolgt. Das ist nicht im Interesse des Publikums, das sich ja auch bei Ihnen immer wieder darüber beschwert.

Es heißt, der ORF will die Übertragungen der Fußball-Bundesliga - vor allem im Rahmen des sonntägigen Sportnachmittages- modernisieren. Können Sie dazu schon Konkretes verraten?

WRABETZ: Nein, daran wird gearbeitet. Aber es wird ab Herbst noch hochwertigere Übertragungen und Berichte vom österreichischen Vereinsfußball im ORF geben.

Wem drücken Sie in der österreichischen Bundesliga eigentlich die Daumen?

WRABETZ: Ich bin begeisterter Rapid-Anhänger. Aber ich drücke allen heimischen Teams die Daumen, die die Chance haben, sich für einen internationalen Bewerb zu qualifizieren.

Aufgrund eines Auslandsaufenthalts von Alexander Wrabetz wurde dieses Interview per E-Mail geführt.