D as Schreiben dieses Aufsatzes, der durch die akademischen Probleme der ehemaligen Minister und Ex-Doktoren Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan seine Initialzündung fand, beginnt mit einem Zielkonflikt: Ich soll etwas Phantasievolles über etwas Phantasieloses verfassen. Unwillkürlich denke ich an den kalifornischen Dramatiker Wilson Mizner (1876 - 1933), der eine scherzhafte Begriffsbestimmung geprägt hat: Aus einem Buch abschreiben ist ein Plagiat, aus zwei ein Essay, aus drei eine Kompilation und aus vier eine Dissertation.

D as Plagiat wird vom lateinischen Wort plagium abgeleitet und heißt in unserer Sprache ganz lebendig Menschenraub, womit nichts anderes gemeint ist, als die Vorlage fremden geistigen Eigentums als eigenes. Der älteste Plagiatsfall ist aus dem Rom des ersten Jahrhunderts nach Christus belegt, wo ein - heute völlig unbedeutender - Poetaster, der damals auf den Namen Fidentinus gehört hat, Gedichte des Verseschmieds Martial als seine bekannt gemacht hat. Ein Vorgang, der heute ebenso und durchaus vorstellbar wäre. Solche Taten wurden schon vor zweitausend Jahren geächtet.

I m Lauf der Geschichte wurde so viel gestohlen, dass einem der Platz fehlen würde, die "Dichter" auch nur exemplarisch hinreichend zu würdigen. Natürlich darf das Zitieren nicht mit dem Plagiieren verwechselt werden. Die Wiedergabe eines kurzen Zitats, zumeist in wissenschaftlichen Arbeiten, unter korrekter Angabe der Quelle, die auf den Urheber hinweist, wird nie ein Problem sein. Eine Dissertation wird ohne solche Hervorbringungen nie auskommen können. Es wäre geradezu unakademisch, bisherige Forschungsergebnisse nicht gleichsam redundant "einzubauen". Die Resultate der gelehrten Vorfahren liefern die Bausteine für das eigene und - hoffentlich - neue akademische Gebäude, was jeder, der wenigstens einmal im Leben eine Seminar-, Diplom- oder sonstige anspruchsvolle Arbeit verfasst hat, gern bestätigen wird. Das Urheberrecht unterscheidet das "kleine" und "große Zitat". Der österreichische Oberste Gerichtshof hat dazu beispielsweise im Jahr 1995 zu Recht erkannt, dass es zulässig ist, "in eine Dissertation ... im Rahmen des wissenschaftlichen Großzitats, eine größere Anzahl von Zitaten aufzunehmen, wenn der Schwerpunkt auf der eigenen geistigen Leistung des Zitierenden liegt."

D as "Kleinzitat" muss auf den "durch den Zweck gebotenen Umfang" beschränkt sein, wie es in einer höchstgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 1982 heißt.

Ein Zitat ist erkennbar, wenn im unmittelbaren Zusammenhang auf seine Eigenschaft als solches hingewiesen wird. Aufklärungen an späterer Stelle eines Sprachwerks reichen für ein ordnungsgemäßes Zitieren nicht aus.

I ch führe die Plagiate darauf zurück, dass der heutige wissenschaftliche Nachwuchs, der vor dem Abschreiben nicht zurückschreckt, nicht mehr korrekt zitieren kann. Soll heißen, er handelt fahrlässig. Jedenfalls glaube ich nicht, dass alles von einem Plagiatsvorsatz herrührt. Die Versuchung jedenfalls ist groß, größer als bei materiellen Dingen, zumal das immaterielle, geistige Werk jedermann und jederfrau haptisch und virtuell sozusagen unbeschränkt zugänglich ist.

M an kennt noch weitere Unterscheidungen, und zwar das Total- sowie Teilplagiat oder das Verbalplagiat, das Formulierungen mit dem Wortlaut übernimmt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Freiherr von und zu - nach Angaben seiner Universität - 94 Prozent nach dem Verfahren "Copy and paste" er"arbeitet" hat, Schavan dagegen "nur" 30.

G efinkelter oder gar gewinkelter ist das Ideenplagiat, das das Ergebnis übernimmt, ohne den Urheber zu nennen, was nicht selten vorkommen soll, aber ganz selten wirklich nachgewiesen werden kann. Das Ideenplagiat darf jedoch nicht mit der Umsetzung einer literarischen Grundidee verwechselt werden. Ein und dasselbe Sujet wird sich in der Literaturgeschichte zig Mal wiederfinden, beispielsweise der Kaspar Hauser-Stoff. Die forensische Erfahrung sagt hier, dass bei Rechtshändeln aus solchen Auseinandersetzungen nichts herauskommt, weil das Ideenplagiat kaum be- und nachweisbar ist.

V ergleichen Sie doch in einer ruhigen Minute Kafkas "Verwandlung" und Handkes "Stunde der wahren Empfindung"! Ein und dieselbe Grundidee. Ein Sujet. Aber nicht einmal der kauzigste oder kühnste Germanist würde je ernsthaft behaupten, ein Großer hätte hier von einem Unerreichbaren etwas abgekupfert.

Eines aber darf ich ungestraft tun: Von mir selber abschreiben. Die Wissenschaft spricht von einem Autoplagiat. Und mit aller Arroganz kann ich sagen, dass ich mir damit wenigstens nicht meinen Stil verhaue. Daraus folgt, dass die Geistesdiebe entweder keinen Stil haben oder kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Beides schlimm genug.