G erade ist sie vom Filmfestival Göteborg zurückgekehrt, hat an einem Tag sieben Interviews gegeben und mit dem Animationsfilmstar Peter Lord ("The Pirates!") zu Abend gegessen. Bevor Schauspielerin Margarethe Tiesel zur Promotion von Ulrich Seidls Aufregerfilm "Paradies: Liebe" nach Ungarn und weiter nach Berlin zieht, haben wir sie mit Hündin Pamela zum Interview in Graz getroffen .

Frau Tiesel, Gratulation zum Österreichischen Filmpreis! "Paradies: Liebe" ist auf zig Filmfestivals von Cannes bis Colorado gelaufen. Was hat sich seitdem in Ihrem Leben geändert?

MARGARETHE TIESEL: Ich bin die Gleiche geblieben. Die Anerkennung, die ich erhalte, tut gut. Ulrich Seidl sagt immer: "Wenn ich die Margarethe nicht gehabt hätte!" Das geht runter wie Öl.

Werden Sie jetzt mit Angeboten überhäuft?

TIESEL: So wild ist es nicht. Die neuen Drehbücher stapeln sich zu Hause noch nicht. Natürlich gibt es einige Angebote.

Was dürfen Sie uns denn verraten?

TIESEL: Im Sommer drehe ich einen Film in den Alpen, ein Ehepaar-Drama. Und ich spiele in "The Attack of the Lederhosen-Zombie" von Fischer Film mit. Da soll ich eine Wirtin spielen, die ein Waffenlager aus dem Zweiten Weltkrieg in ihrer Hütte hat.

Sie sind 53, die Rolle der alleinerziehenden Sextouristin Teresa war Ihre erste Filmhauptrolle. Denken Sie, dass es möglich ist, jetzt noch durchzustarten?

TIESEL: Mache ich jetzt Alterskarriere? Ich weiß es nicht. Ich bin nicht so abgehoben zu sagen: Da bin ich! In dem Geschäft musst du immer so tun, als wärst du wer. Vieles wird aufgebauscht. Aber ich habe tolle Leute getroffen.

Ein Beispiel, bitte!

TIESEL: Als ich in Colorado war, habe ich in einem Secondhandshop den Regisseur Peter Sellars getroffen. Er hat mich erkannt und ist mir um den Hals gefallen - und nicht umgekehrt. Ich habe ihm gesagt, dass ich bei einer seiner Operninszenierungen einen Baum spielen möchte (lacht).

Gibt es zu wenige Rollen für Frauen jenseits der 50?

TIESEL: Am Theater gibt es immer mehr Männerrollen - klar. Auch im Fernsehen sind die jungen, knackigen, feschen Frauen gefragt. Kommissarinnen wie Hannelore Hoger sind selten.

Wie hat Ihr Umfeld auf den Film reagiert, in dem Sie sich als Frau und persönlich ausgeliefert haben?

TIESEL: Sehr positiv. Mein Mann, der als Schauspieler Profi ist, war nicht eifersüchtig. Meine Tochter (23) hat gesagt: "Mama, ich war ja so froh, dass es aus ist!" Mein Sohn (21): "Manchmal habe ich schon die Augen zugemacht!"

Werden Sie im Alltag auch auf der Straße angesprochen?

TIESEL: Ja. Viele Frauen stehen irrsinnig auf den Film. Eine hat mich zuletzt auf dem Klo angesprochen. Sie hat den Film mit ihrem Mann gesehen, die beiden haben danach die ganze Nacht lang darüber gestritten. Ihm hat er nicht gefallen. Das ist doch toll! Dass der Film so breit diskutiert wird.

Was haben Sie über sich beim Drehen gelernt? TIESEL: Sexszenen? Fad! Was ich wirklich gelernt habe, ist Durchstehvermögen. Ich musste Position beziehen. Ich habe gelernt: Man muss nicht immer von allen geliebt werden. Man überlebt es auch, nicht gefällig zu sein.

Durchstehvermögen passt auch zu Ihrer Karriere?

TIESEL: Ja. Ich habe lange Durchstehvermögen gehabt.

(Das Telefon läutet, Tiesel hebt ab und geht kurz vor die Türe.)

TIESEL: Jetzt kann ich noch etwas erzählen. Das war Fischer Film mit einem Angebot für Kurt Palms "Kafka, Kiffer und Chaoten".

Haben Sie zugesagt?

TIESEL: Ja, mit Kurti habe ich schon "Der Wadenmesser" gedreht.

Andere Länder, andere Reaktionen: Wo hat denn der Film aufgeregt?

TIESEL: Die Deutschen sind politisch schon korrekt. Die haben uns vorgeworfen, wir hätten Afrikaner ausgenutzt. Aber Seidl hat den Laiendarstellern exakt dasselbe gezahlt wie immer. In Serbien dagegen haben die Zuseher zwei Stunden lang durchgelacht.

Wird es eine weitere Zusammenarbeit mit Seidl geben?

TIESEL: Erst vor Kurzem hat er in einem Interview gesagt: "Ja!"

Sie werden gerne als kommode Wirtin gebucht.Ärgerlich?

TIESEL: Man kann sich seine Rollen nicht aussuchen. In dem Film auf der Alm verweigere ich per Rolle die Wirtin. Das ist neu.

Wo würden Sie denn gerne einmal mitspielen?

TIESEL: Ich würde einmal gerne eine Komödie drehen.

Mit Ihrem Mann Franz Solar sind Sie schon oft auf der Bühne gestanden. Demnächst wieder?

TIESEL: Am 25. März sind wir in der Reihe "Schöner wettern" im Grazer Schauspielhaus (ebene 3) als "Mundls" in der Regie von Manuel Czerny zu sehen.