Ein mit zwei Amadeus Austrian Music Awards ausgezeichneter "Volks-Rock-'n'-Roller". Ein ehemaliger Schirennfahrer, der seit einiger Zeit zwar nicht mehr zur Pilgerreise in die schönen Tiroler Berge ruft, dafür aber noch immer die größten Hallen im Land füllt: Sie sind aktuell nur die Speerspitze der volkstümlichen Unterhaltungsmaschinerie. Verzücken und entrücken zahllose Fans vom Dornbirner Messestadion bis zur Wiener Stadthalle. Die Sehnsucht nach dem Simplen will gestillt sein - ein akustisches, nicht gefühlsechtes Pflaster für das Herz, das einem im Leben mitunter auch richtig blutet. Jetzt mehr denn je. Kann man der volkstümlichen Zunft (keinesfalls zu verwechseln mit Vertretern der echten Volksmusik) gram sein, wenn sie schafft, was einige internationale Künstler trotz großer Anstrengungen nicht mehr schaffen - nämlich mühelos Zehntausende anzulocken?

Texte aus dem Stammbuch

Nichts am volkstümlichen Produktangebot ist auch nur ansatzweise neuartig oder dürfte als "originell" durchgehen. Die mit allen denkbaren (und undenkbaren) Klischees beschlagenen Texte hat man mehr als nur einmal zu oft gehört - und sei es nur aus dem Poesiealbum, das in der Volksschule durch die Reihen ging. Hirschgeweihe kannte man schon länger, wenn auch bislang eher auf den dafür vorgesehenen Hirschschädeln oder an Wänden von Bauernstuben - und nicht am Mikrofon. Freilich, Schlagermusik und Volkstümliches unterliegen marktwirtschaftlichen Gesetzen: Der Erfolg rechfertigt noch immer das Produkt, der kleinste gemeinsame Nenner bringt den größten Umsatz. Eine Melodie, so beliebig und abgenutzt sie sein mag, ist für viele doch schön wie ein Enzian. Passt man schon beim ersten Mal, spätestens aber beim zweiten Mal in sie rein wie in ein Paar von gut eingetragenen und eigentümlich riechenden Wanderstutzen, kann das ungemein vertrauensstiftend sein. Und die Lederhose dazu liegt in Griffweite.

Wenn es heimelig wird, wenn man zünftig schunkeln will, wenn es wieder volkstümelt, dass sich auch hundertjährige Zirben durchbiegen, muss inhaltlich naturgemäß vereinfacht werden. Buabn, Madln, Blümerl, Sternderl, Engerl, Rehlein und Hoamat: Alles schön und gut und untadelig, da kann man doch schlecht Einspruch einlegen. Die Sache noch simpler halten als man es für möglich gehalten hätte, die Latte waldbodennahe legen - so lässt sich der volkstümliche Limbo noch immer am besten tanzen. Schlager ist heile Welt, verkauft zum Freundschaftspreis - und alles was einen aufregen kann, bleibt an der Kassa. Wenn das Saallicht ausgeht, die Scheinwerfer angeworfen werden und man endlich zeigen kann, wie gut die Liedtexte sitzen, dann sind alle eine große Familie - nur ohne Probleme. Und irgendwo am Horizont, direkt unter dem schönen Alpenglühen, dort war es schon immer besser - oder? Man sollte freilich nicht jedes Wort für bare Münze nehmen, das da einem aus Bühnenrichtung aufgeschwatzt wird: Wer wird denn auch nach der Wurzel suchen, wenn er ein Blümerl ausreißt und sich in das Knopfloch steckt?

Dass es in Zeiten von dahinsiechenden Volkswirtschaften, Arbeitsplätzen zwischen Unsicherheit und Burn-Out und frech ins Gesicht lachenden Korruptions-Visagen so viele nach einem Gegengewicht ohne viel Gewicht dürstet: Es darf eigentlich nicht verwundern. Was in einer Welt wie dieser noch Sinn macht, liegt nicht immer auf der Hand, aber ein Bad in Klischees kann ja auch wohlig sein. Die Trennlinie zwischen heilem Schein und scheinbarem Heil verläuft dabei weitestgehend fließend - und so soll der Hase auch rennen: Raus aus der Alltags-Tristesse und rein in die rustikalen Wadenwärmer, wenn auch nur für zwei Stunden oder für die Länge der im Monatstakt neu erscheinenden CDs. Wer es dann noch gleichzeitig in die Bundesland-Sender und "Hitradios" schafft, hat seine Mission eigentlich schon über Gebühr erfüllt. Vor allem auch in Sachen Marketing.

Von der Sonne, der tiefen

Ein grausamer, vielleicht schon länger im einen oder anderen schlummernder Generalverdacht könnte sich bewahrheiten: Dass man z.B. Österreich beim diesjährigen Song Contest mit dem Sprechgesang-Titel "Woki mit deim Popo" vertreten wissen darf, könnte als weiteres Indiz dafür gelten, dass die kulturelle Sonne im Land tief steht - sehr tief. Der Verdacht liegt nahe, dass Popoläres populär wie noch nie ist und wenn man an Musik denkt, nur ja nicht mehr nachgedacht werden soll. Das Leben ist auch so schon realistisch genug. Dass heute nicht mehr zwingend nach den Regeln der Kunst gesungen und musiziert werden muss, um abzustauben, sondern - wie hier - lieber "Tracks geschissen" (O-Ton: Trackshittaz) werden: Es stört offenbar (längst) nicht (mehr). Dass dieses Fichtennadel-Duftbäumchen, das man vor dem geistigen Auge hat, irgendwie künstlich und verlogen riecht, tut der alles zudeckenden Seligkeit keinen Abbruch.

Was mit dem "Volks-Rock"-Siegel verkauft und in bunten Tourbussen zu Mehrzweckhallen angeliefert wird, hat mit echtem Rock 'n' Roll so viel zu tun wie ein Tofu-Schnitzel mit einer Stelze. Es wurde nicht als laute Revolte gegen irgendetwas konstruiert. Es ist flugs verdaulicher Schlager, dem ein Täfelchen mit der Aufschrift "Ich spiele den Rocker" umgehängt wird: Ein cleverer Taschenspieler-Trick, der sich bärig verkauft, die Reihen mühelos füllt und vor allem: Die Generationen zusammenbringt, wie es das Samstag-Hauptabendprogramm ja schon längst nicht mehr schafft. Wetten, dass..?