Es mag Zufall gewesen sein oder auch nicht. Aber als Peter Handke am Sonntag im Nationaltheater von Oslo den umgerechnet mit rund 300.000 Euro dotierten Ibsen-Preis erhielt, stand im Anschluss an den kurzen Festakt Handkes Bühnenstück "Immer noch Sturm" auf dem Programm. Und den gab es, in ganz realer Form, auch außerhalb des ehrwürdigen Gebäudes. Bosnische Aktivisten inszenierten eine lautstarke Protestaktion gegen Handke wegen seines einstigen politischen Engagements für Serbien und bezeichneten ihn als "Genozid-Verleugner".

Gestern, beim zweiten Akt der Verleihung, hielt Peter Handke, in Skien, dem Geburtsort von Henrik Ibsen, im Rahmen einer internationalen Ibsen-Konferenz seine knapp 20 Minuten dauernde Dankesrede. Weitere, befürchtete Störaktionen blieben aus, lediglich einige Lokalpolitiker blieben der Veranstaltung fern. Sie versäumten eine zum Teil sehr berührende literarische Fantasie zu Ehren des norwegischen Nationaldichters, gänzlich frei von politischen Statements oder Reaktionen auf die schon zuvor erhobenen Vorwürfe wegen der Vergabe des Preises. Und sie versäumten eine noble Geste.

Verzicht und Spende

Handke reagierte gewohnt ungewöhnlich und höchst sympathisch: Er wird einen Großteil des Preisgeldes für ein Kinderschimmbecken im Kosovo stiften, den Rest wird er Norwegen und seinem Volk zurückgeben.

"Am Rande der Erschöpfung reden wir alle in Hauptsätzen" lautete, fast refrainartig, die an Ibsen gerichtete poetische Verbeugung. Müde und etwas erschöpft wirkte auch Handke selbst. Ehe er seine Rede, in deutscher Sprache gehalten, begann, entschuldigte er sich beim Publikum dafür, dass er im Sitzen lesen werde, und begründete dies mit angeborenen Herzproblemen.

Handke charakterisierte Ibsen als "beängstigendes Genie, das sein Leben dämonisiert hat". Er selbst teile diese Eigenschaft nicht, wohl aber Ibsens ausgeprägte Neigung, auch "über sich Gerichtstag zu halten".

Hart ins Gericht ging der Kärntner Literat von Weltgeltung dann aber mit der einigen Bereichen zeitgenössischen Literatur, die er als "Abart des Journalismus und des Expertentums" abkanzelte. Er knüpfte dabei an seine kürzlich erhobenen Vorwürfe in der "Zeit" an, die er sarkastisch so auf den Punkt brachte: "Es ist fast alles Gewäsch, alles mühelos gemacht".

Bei Ibsen hingegen gebe es "trotz seiner Apothekerlehre keinerlei nach Rezept hergestellten Sätze", sondern vielmehr "freie, ungeplante Gliederung eines Ausrufs oder gar Aufschreis".

Ob Handke in nächster Zeit literarisch ähnlich verfahren wird, könnte sich bald weisen. Auf jeden Fall kündigte er an: "Das letzte Epos steht noch bevor".

Zu den Kritiken an Handke äußerte sich unterdessen Jury-Mitglied Thomas Oberender. Der deutsche Autor und Intendant der Berliner Festspiel sagte, Handke habe das Theater "immer wieder vorangebracht durch die Erfindung von Textformen oder Varianten des Dramas, die man vorher nirgends gesehen oder gedacht hat." Mit Ibsen verbinde Handke das "heimatferne Schreiben" und das Ringen um Heimat in der Literatur. Und Oberender sieht einen "deutlichen Wandel bei der Betrachtung Handkes als politischer Provokateur". Offenkundig hat sich dies noch nicht überall herumgesprochen.