Tatsache: Allein im Jahr 2017 wurden in Österreich 6381 Betriebe an Nach- folger übergeben. Das macht ein Plus von 386 Unternehmen oder 6,44 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016. Im Familienverband gestalten sich Übergaben oft sehr schwierig, die Konfrontation zwischen Alt und Jung hat schon so manches Lebenswerk zerstört. Deshalb haben wir für unser Karriere-Magazin zwei Familien ausgewählt, die es trotz aller Schwierigkeiten geschafft haben. Grundtenor: Veränderungen müsse man wahrnehmen, sie seien nicht automatisch negativ. Und: Man müsse immer im Gespräch bleiben. Auch wenn es manchmal gar nicht so einfach ist.

Es geht um viel. In den kommenden zehn Jahren können durch erfolgreiche Übergaben rund 424.000 Arbeitsplätze gesichert werden. Die Wirtschaftskammer gilt mit ihrem Service-Angebot als einer der wichtigsten Ansprechpartner auf diesem Weg.

Die Kärntner Firma Ortner teilt ihre Geschichte in fünf Entwicklungsphasen auf. Von der Spezialisierung auf die Errichtung von Lüftungs/ Klimaanlagen für die Reinraumtechnik bis zur Internationalisierung 2017. Jetzt ist noch eine weitere Entwicklungsphase hinzugekommen: die Verteilung der Macht und die Weitergabe an die junge Generation.

Josef und Brigitte Ortner gründeten zwar den Betrieb vor mehr als 30 Jahren mit der Einstellung, „dass ihre Kinder nie gezwungen sein werden, ihn fortzuführen“. Was nichts daran ändert, dass sie heute glücklich darüber sind, dass Stefanie (40), Katharina (36) und Peter (32) sich dennoch für eine Karriere im Familienunternehmen entschieden haben.

Stefanie Rud
Stefanie Rud © (c) Hannes Pacheiner

Selbstverständlich war das vor allem bei den beiden Frauen nicht. Stefanie Rud war nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften bei Siemens und in der Unternehmensberatung tätig, Katharina Ortner kommt überhaupt aus einer völlig anderen beruflichen Ecke – aus dem Tourismus. Beide Frauen werken heute in leitenden Positionen bei Ortner Reinraumtechnik. Den Weg dorthin haben sie sich aber hart erarbeitet. Vielleicht noch härter, als es in einem anderen Unternehmen der Fall gewesen wäre.

Katharina Ortner hat als „Aushilfe“ in der in Möllbrücke in Oberkärnten angesiedelten Produktion angefangen. Seit 14 Jahren ist sie im Betrieb, der den Hauptsitz in Villach hat, seit zwei Jahren leitet sie die Produktion. 25 der insgesamt 150 Mitarbeiter von Ortner Reinraumtechnik sind hier tätig. „Ich hatte die Chance, Dinge auszutesten, und mich zu entwickeln“, erzählt Katharina Ortner. Interesse, Lernwille und technisches Verständnis haben ihr dabei geholfen, sich in eine völlig unbekannte Materie einzuarbeiten.

„Wenn man den Willen hat, kann man sich alles aneignen“, ist Seniorchef Josef Ortner überzeugt. Und er muss es wissen. Der gelernte Kunstschmied hat sich mit Ortner Reinraumtechnik 1985 auf völlig andere Wege begeben.

Siemens suchte damals einen Anbieter für Lüftungs- und Reinraumtechnik – beim Nachfolger Infineon wird heute noch der Reinraum von der Firma Ortner betreut. Leiter vor Ort für Ortner ist Hannes Knes (38) – ein gelernter Bau- und Möbeltischler. Eingestellt wurde er vor 18 Jahren als klassischer Reinraum-Monteur. Dann ging es Schritt für Schritt die Karrieeleiter nach oben. „Auch wenn man keine technische Ausbildung hat, hindert das niemanden daran, sich weiterzuentwickeln.“ Vor einem Jahr wurde er gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit Stefanie Rud und Katharina Ortner die „junge“ Führungsebene zu bilden. Eine endgültige Übergabe von der „alten“ an die „neue“ Generation ist es aber noch nicht.

Stefanie Rud ist mit ihrem Vater Josef Ortner (62) gleichberechtigt in der Geschäftsführung. Ihre Schwester Katharina und Hannes Knes wurden mit der Prokura ausgestattet, die bisher nur Brigitte Ortner (59) innehatte. 

Eine Erweiterung der Führungsebene also. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das innerhalb eines Familienverbandes mit sich bringt. Auch für Josef Ortner, der es gewohnt war, Entscheidungen im Unternehmen allein zu treffen. Es ist ein Lernprozess, den alle miteinander gehen müssen. Und dann irgendwie trotz unterschiedlicher Zugänge und Ansichten zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. „Es kostet beide Seiten Energie, und wir diskutieren oft hart“, sagt Stefanie Rud. Aber beide Generationen seien wichtig für den Erfolg des Unternehmens, beide Sichtweisen hätten ihre Berechtigung. „Es ist ein bisschen wie eine Parallelwelt“, sagt Stefanie Rud. Und es erfordere Demut von beiden Seiten. Es gibt auch eine Art Generationenvertrag. „Denn es braucht ein klares Bekenntnis zum Mehrgenerationenunternehmen. Das war wichtig für uns. Deshalb haben wir uns mit Vater zusammengesetzt und niedergeschrieben, wofür wir stehen und wie das Unternehmen sich entwickeln soll“, so Stefanie Rud.

© (c) Hannes Pacheiner

Und es sei klar gewesen, dass eines der Geschwister die Führungsrolle übernehmen müsse. „Es muss am Ende des Tages einer die Unterschrift druntersetzen“, sagt Rud. Untereinander habe man sich ausgesprochen und geschaut, wer sich wohin entwickeln will. Ihr Bruder Peter, der bei Hannes Knes im Reinraumteam arbeitet, habe noch Zeit für seine Orientierung. „Es ist wichtig, dass jeder seinen klaren Aufgabenbereich hat“, so Katharina Ortner.

Ein von einem Berater begleiteter „Familienworkshop“ habe auch entscheidend dazu beigetragen, dass man sich mit den unterschiedlichen Sichtweisen auseinandersetzt. „Wir stehen uns gegenseitig mit Rat zur Seite, wir stärken uns den Rücken, wir streiten, diskutieren. Wichtig ist, dass wir miteinander reden. Das unterscheidet uns von manchen anderen Familienunternehmen“, sind Stefanie und Katharina überzeugt.