Herr Spitzer, was hat Sie angespornt, eine Rückschau auf Ihre Forschungen zu publizieren?
HELMUT SPITZER: Die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Monografie steht schon seit ein paar Jahren auf meiner wissenschaftlichen Agenda. In den letzten Jahren habe ich hauptsächlich englischsprachige Bücher und Fachartikel in internationalen Zeitschriften herausgegeben. Mit diesem Buch möchte ich die herausfordernde Situation Sozialer Arbeit in der afrikanischen Zwischenseenregion Studierenden und Kolleginnen und Kollegen im deutschsprachigen Raum zugänglich machen. Ich habe darin die Erfahrungen der letzten 25 Jahren Feldforschung in Ostafrika zusammengefasst.


Sie schreiben in der Einleitung zu Ihrem persönlichen Impetus, darunter Ihr Aufwachsen. Wie hat Ihre Kindheit Ihre Perspektive als Forscher geprägt?
SPITZER: Unser aller Tun ist doch irgendwie auch durch die Kindheit geprägt. In meinem Fall war es das Aufwachsen mit einem als schwerbehindert bezeichneten Menschen, den ich sehr geliebt habe und der meinen Blick auf die Welt maßgeblich geprägt hat. Der Tod dieses Menschen hat mir letztlich den Weg in die Soziale Arbeit geebnet.


Kritisch erwähnt werden Eurozentrismus und "White Saviour"-Komplex. Was ist Ihr Gegenentwurf zur immer noch weit verbreiteten Sichtweise, der zufolge die afrikanische Bevölkerung als passiv und hilflos dargestellt wird?
SPITZER: Afrika ist per se weder arm noch hilflos. Die allermeisten Menschen bewältigen ihr schwieriges Leben mit Kreativität, Improvisation, einem unerschütterlichen Glauben und einem Humor, den man hierzulande kaum kennt. In Österreich wird vergleichsweise auf einem sehr hohen Niveau gejammert. Leider wird in den Medien auch stets ein negatives Afrika-Bild vermittelt.

Helmut Spitzer
Helmut Spitzer © Imani Spitzer

Welche gegenwärtigen Entwicklungen in Afrika bereiten Ihnen in diesem Zusammenhang weiterhin Grund zur Sorge?
SPITZER: Das große Problem besteht aus meiner Sicht darin, dass es zwischen den afrikanischen Staaten und dem Westen – vor allem den USA und der EU – keine Partnerschaft auf Augenhöhe gibt. Die Beziehungen sind in der Regel unfair, der Westen ist in erster Linie nur an den reichen Bodenschätzen auf dem afrikanischen Kontinent interessiert. Nur 10 Prozent der Wertschöpfung bleibt in Afrika.


Sie haben Elefanten als titelgebendes Element für Ihr Buch gewählt. Was verbirgt sich hinter dem Sprichwort mit dem leidenden Gras?
SPITZER: Das symbolische Sprichwort habe ich erstmals 1999 bei einer Feldforschung in Norduganda gehört. Zu dieser Zeit war dort Bürgerkrieg, und die Zivilbevölkerung wurde zwischen einer Rebellengruppe und der Regierungsarmee "zertrampelt". Ob im Kampf zwischen Ideologien, Religionen oder Kriegstreibern – es sind immer die kleinen Leute, die die Hauptlast rücksichtsloser Machtkämpfe und wirtschaftlicher Gier zu tragen haben. Davon handelt dieses afrikanische Sprichwort.

Finden Sie nach 25 Jahren enger wissenschaftlicher Beziehung immer noch neue Aspekte, die Sie in Ostafrika begeistern?
SPITZER: Es gibt so viele Themen, die beforscht werden könnten. Mich interessiert aber immer mehr der praktische Nutzen wissenschaftlichen Arbeitens und internationaler Hochschulkooperation. Dazu gehört vor allem der Austausch von Ideen und Personen. Neben den Kärntner Studierenden, die schon seit vielen Jahren in Ostafrika ihr Auslandspraktikum machen, kommen auch afrikanische Studierende und Kollegen zu uns. Dann wird die sogenannte Entwicklungszusammenarbeit zu dem, was sie eigentlich sein sollte: zu einem wechselseitigen Lernprozess, wo Entwicklung auf beiden Seiten stattfindet.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Kärntner Hochschulkonferenz. Die redaktionelle Verantwortung liegt ausschließlich bei der Kleinen Zeitung.