Ein ziemlicher Winzling: Mit nur 2,2 bis 2,7 Millimeter Gehäusegröße fällt die Bauchige Windelschnecke nicht gerade durch Größe auf. Spannender sind da schon ihre Schutzmechanismen vor Fressfeinden, sogenannte „Zähne“ an der Mündung ihres Gehäuses. Sie hindern Insektenlarven und Parasiten effektiv vor dem Eindringen ins Gehäuseinnere – doch die Vertigo moulinsiana, so ihr lateinischer Name, kann noch in einer anderen Hinsicht Zähne zeigen.

Nämlich in Sachen Naturschutz: Zwar ist die Bauchige Windelschnecke in ganz West- und Mitteleuropa verbreitet, aber gleichzeitig auch vom Aussterben bedroht. In Deutschland und Österreich steht sie auf der Liste stark gefährdeter Tierarten, was ihr die Macht verleiht, sogar Großprojekte wie etwa den Bau eines Flughafens zum Scheitern zu verurteilen. Ihr Schutzstatus macht diese kleine, unscheinbare Schnecke also zu einem großen Player im Naturschutz – wo sie sich breitmacht, darf nicht gebaut werden, um ihren Bestand nicht weiter zu gefährden. So eine Unterschutzstellung ist somit eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen.

Wie kommt es aber zu diesen Entscheidungen? Ein Expertenteam aus den Bereichen Sozialwissenschaft, Rechtswissenschaft, Ökonomie, Ökologie, Biologie und Naturschutzpraxis hat sich an der Uni Klagenfurt für ein Forschungsprojekt zusammengetan, um die Mechanismen des Naturschutzes zu ergründen.

Zugrunde liegt dabei eine einfache Frage: „Warum schaffte es unter den rund zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten ausgerechnet die winzige Schnecke Vertigo moulinsiana, Schutzstatus zu erlangen und Eingang in das Rechtssystem zu finden?“, bringt es Martina Ukowitz auf den Punkt. Die Wissenschaftstheoretikerin leitet das Projekt, das interdisziplinär angelegt ist. Zu Wort kamen Biologen, Zoologen, Ökologen, Repräsentanten der öffentlichen Verwaltung, Naturschutzorganisationen, Juristen sowie Vertreter des Umweltbundesamts, des Europarats und der International Union for Conservation of Nature.

Was sich dabei herausgestellt hat: „Das wissenschaftlich Erfassbare hinkt der Natur immer hinterher“, sagt Ukowitz. Über die genaue Verbreitung von Tierarten gebe es kaum gesichertes Wissen, Tiere würden vor allem dann geschützt, wenn sie eine starke Lobby hinter sich hätten. Auffällig sei, so die Forscherin, dass besonders dort hohe Verbreitungszahlen für Tierarten verzeichnet werden, wo entsprechende Experten in der Nähe leben.

Es „menschelt“ also im Naturschutz, so das Fazit des Projekts: Entscheidungen über Unterschutzstellungen würden nicht rein faktenbasiert getroffen, sondern unterliegen sozialen Dynamiken, Emotionen und Wertekonflikten.

„Ich habe den Eindruck, dass Naturschutz den Menschen wichtig ist. Allerdings rutscht die Thematik im Alltag leicht aus der Aufmerksamkeit und wird eigenen, wirtschaftlichen Interessen hintangestellt“, sagt Ukowitz. Daher brauche es mehr Kommunikation über den Naturschutz: Die Öffentlichkeit müsse informiert und zum Nachdenken gebracht werden.