Für viele ist er neben Martin Heidegger der wichtigste Philosoph des 20. Jahrhunderts: Ludwig Wittgenstein. Sein umfangreiches Werk, dass zwar in einfacher Sprache verfasst, aber dennoch nicht leicht zugänglich ist, bietet Forschern seit Jahrzehnten anspruchsvollen Stoff, den es zu ergründen gilt. Wittgenstein selbst hat seinen Doktorvätern nach abgeschlossenem Rigorosum über seinen „Tractatus logico-philosophicus“ auf die Schultern geklopft und gesagt: „Machen Sie sich keine Sorgen, ich weiß, dass Sie das nie verstehen werden.“

Seither bemühen sich Philosophen auf der ganzen Welt um die Deutung von Wittgensteins Werk. Unter ihnen auch Volker Munz und Bernhard Ritter, die jetzt ein Buch über Wittgensteins Vorlesungen in Cambridge in den Jahren 1938 bis 1941 herausgegeben haben. Munz, der am Institut für Philosophie der AAU arbeitet, ist eher zufällig auf den großen Philosophen aus Wien gestoßen: „Ich hatte das Glück, in meiner Erasmus-Zeit in den späten Achtzigern auf einen der Nachlassverwalter Wittgensteins zu treffen. Von seiner Frau habe ich umfangreiche Vorlesungsmitschriften bekommen, die aber kaum leserlich waren.“ Gemeinsam mit seinem Kollegen machte sich Munz in mühevoller Kleinstarbeit daran, die jahrzehntealten Handschriften zu entschlüsseln, einzuordnen und in einen Kontext mit Wittgensteins Gesamtwerk zu stellen. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das viel Erhellendes zu Wittgensteins Denken bereithält. „Er hat wie kaum ein anderer Philosoph in viele Bereiche ausgestrahlt, in Kunst, Literatur, Musik. Er prägte auch die Wiener Moderne“, sagt Munz über seine Faszination.

2000 Seiten an Manuskripten und Typoskripten mussten die Forscher analysieren, Munz war damit insgesamt zwölf Jahre lang beschäftigt. „In dieser Zeit hat es schon auch mal Durchhänger gegeben“, gesteht der Philosoph ein. Aber die Chance, diesen noch unbekannten Teil von Wittgensteins Werk einem größeren Kreis an Interessierten zugänglich zu machen, hat Munz ständig angetrieben. Die Wittgenstein-Forschung wird ihn so schnell nicht loslassen.